Informiert im Gesundheitswesen

Was darf ein lebensrettender Ambulanzeinsatz kosten? Oder die Perversion der Grosspharma.

Dass die Pharmaindustrie ihren CEO unanständige Löhne und selbst bei schlechter Leistung noch unanständigere Boni bezahlt, ist sattsam bekannt. Mit der Preisfestsetzung «nach der kommerziellen Tragfähigkeit» pervertieren die Verantwortlichen nun aber jeglichen Solidaritätsgedanken. Jüngstes Beispiel ist das neue Medikament gegen Krebs von Novartis, das exorbitante 465’000 US-Dollar kostet. Begründung: Der Preis rechtfertige sich unter Abwägung «des medizinischen Nutzens und der kommerziellen Tragfähigkeit». Im Klartext: Big Pharma schröpft die Krankenversicherungen bis zur Schmerzgrenze, und macht via Patientenorganisationen und Öffentlichkeit moralischen Druck auf die Versicherungen, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als zu bezahlen.

Dieses Geschäftsmodell ist absolut unanständig und verwerflich. Wenn sich dieses Gebaren durchsetzt, gerät das Gesundheitswesen in kürzester Zeit völlig aus den Fugen, weil solche Kosten schlicht nicht mehr tragbar sind. Und mehr noch: Wenn solche Dreistigkeit toleriert wird, werden andere die pervertierte Argumentation der Pharmafirmen übernehmen.  Was darf zum Beispiel ein lebensrettender Ambulanzeinsatz kosten, wenn er nach Abwägung von  «Nutzen und kommerzieller Tragfähigkeit» festgelegt wird? Wann kostet eine Dosis Polio-Impfstoff, deren Preis heute bei knapp 20 Franken liegt, plötzlich ebenfalls eine horrende Summe, weil die Pharmabosse der Meinung sind, die «kommerzielle Tragfähigkeit» sei noch nicht ausgeschöpft?

Doch was hört man diesbezüglich vom Preisüberwacher oder von der kürzlich von Bundesrat Berset eingesetzten Expertengruppe, die nach Sparmöglichkeiten suchen sollte? Kein Wort! Nach wie vor klauben die «Experten» an den heute schon für den grössten Teil der Medikamente tiefen Preisen herum. Dass vor ihren Augen ohne jegliche Skrupel alles ausgehebelt wird, was bisher den Krankenversicherungsgedanken ausmachte, blenden sie einfach aus. Sie leisten dem dreisten Geschäftsgebaren der grossen Pharmafirmen sogar noch Vorschub. Bundesrat Berset träumt immer noch von einem Festbetragsmodell, das nachweislich kleine Firmen nach und nach vom Markt verdrängt, weil nur die grossen Firmen den finanziellen Schnauf haben, um die von der Politik geforderten unwirtschaftlichen Preise halten zu können. Die Grossen brauchen bei diesem Modell nur zu warten, bis die Kleinen in den Ruin getrieben sind oder die betroffenen Produkte vom Markt nehmen müssen. Sobald sie die Monopolstellung erreicht haben, sind sie alleiniger Herr im Haus und lassen die Preise nach oben schnellen. Reale Beispiele dafür gibt es bereits heute genügend.

Wann endlich öffnen die Damen und Herren «Experten» die Augen! Es braucht den politischen Willen, solche unverschämten Geschäftsmodelle nicht einfach hinzunehmen, sondern zu ächten und dagegen vorzugehen. In der sozialen Krankenversicherung soll die ganze Bevölkerung adäquate Gesundheitsdienstleistungen erhalten. Es darf nicht toleriert werden, dass einzelne Behandlungen derart viel Geld verschlingen, dass für die grosse Mehrheit der Versicherten keine Mittel mehr übrig bleiben. Es darf kein Geschäftsmodell «medizinischer Nutzen und kommerzielle Tragfähigkeit» geben! 

30. Oktober 2017

Foto © Andrey Popov Fotolia.com  

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