Informiert im Gesundheitswesen

Wer will denn deutsche Verhältnisse?

MedikamenteMigros und Coop machten mächtig Druck. Sie wollen Medikamente verkaufen. Dazu versteigen sie sich sogar zu dem zwiespältigen Argument: «Wir wollen deutsche Verhältnisse!». In deutschen Drogeriemärkten seien die Medikamentenpreise nämlich erheblich günstiger, sagt Martin Schläpfer, Leiter der Direktion Wirtschaftspolitik bei der Migros, gegenüber dem Tages-Anzeiger. «Medis im Supermarkt» frohlockt das Blatt denn auch prompt. Zwischen Ohrenstäbchen und Rasierschaum sollen, ginge es nach Migros und Coop, demnächst auch «sämtliche Einreibemittel» gegen Muskel-, Gelenk- und Rheumabeschwerden, Antacida, pflanzliche Abführmittel, Vitaminprodukte, Augentropfen und Mittel gegen Neurodermitis, Psoriasis und Ekzeme stehen. Zur Selbstbedienung. Greifen Sie zu, liebe Kundinnen und Kunden! Wir stellen keine Fragen. (Sie hoffentlich auch nicht. Wir könnten sie nämlich nicht beantworten.) Aber Cumuluspunkte und Super-Card-Boni, doch, doch, die gibt es. Greifen Sie zu! Abführmittel, Schmerzmittel, Magen-Darm-Tabletten, was immer Sie wollen, so viel Sie wollen. Schlucken Sie, was Ihr Magen aushält!

Abführmittelabusus? Schmerzmittelmissbrauch? Interaktionen? Falschanwendungen? Das sind Schlagworte von neidischen Kleingeistern. Umsatz heisst das genossenschaftliche Zauberwort, tiefe Preise lautet der Lockruf. Und damit Umsatz und tiefe Preise zusammenpassen, muss die Menge gross genug sein. Das lernt jeder KV-Stift im ersten Lehrjahr. Menge mal Preis ergibt den Umsatz. Also greift zu, liebe Kunden, räumt die Migros- und Coop-Regale leer!

Wollen wir das wirklich? Wollen wir deutsche Verhältnisse? Damit wir uns klar sind, was das heisst: In deutschen Krankenhäusern sterben jährlich 58‘000 Menschen an den Folgen unerwünschter Medikamentenwirkungen. Daran sind selbstverständlich nicht nur die Drogeriemärkte schuld. In etwa der Hälfte der Fälle sind falsch verschriebene Medikamente die Ursache für die tödlichen Zwischenfälle. Viele Menschen bezahlen aber auch mit ihrem Leben, weil sie Medikamente einnehmen, von denen sie glauben, dass sie ihnen helfen oder ihr Leben verlängern.

Und wir sollen jetzt also Migros und Coop erlauben, Regalwände mit Medikamenten zu füllen, von denen die Konsumenten glauben, dass sie ihnen helfen? Das kann nicht unser Ernst sein! Es gibt in der Schweiz 1700 Apotheken, die dafür sorgen, dass das richtige Medikament zum richtigen Zeitpunkt eingesetzt wird. Das ist der Auftrag für eine gewissenhafte und sichere Medikamentenversorgung. Diese Dienstleistung sollte uns allen ein paar Franken wert sein. Wenn in Deutschland jährlich 58‘000 Menschen wegen falsch eingenommener Medikamente sterben, kann man davon ausgehen, dass eine noch viel grössere Zahl von Menschen wegen falsch eingenommener Medikamente notfallmässig in Spitäler eingeliefert werden müssen und möglicherweise bleibende Schäden davontragen. Diese Behandlungen kosten das Gesundheitswesen Milliarden, und diese werden weder mit Cumulus-Punkten noch mit Super-Card-Boni bezahlt, sondern über Krankenkassenprämien und Steuergelder!

http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/streit-um-medikamente-im-supermarkt/story/25388132

http://www.rp-online.de/leben/gesundheit/medizin/wie-aerzte-ihre-patienten-gefaehrden-aid-1.3827783 

10. Mai 2017

Foto © anoli Fotolia.com

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