Informiert im Gesundheitswesen

Spitäler erweitern ihr Angebot, Kosten Nebensache

In advanced operating room with lots of equipment, patient and working surgical specialists

Immer mehr Spitäler gliedern ihrem Betrieb neue Geschäftsfelder an: Fachärztezentrum in Wallisellen (Kantonsspital Winterthur), Frauen-Permanence am Bahnhof Stadelhofen in Zürich (Spital Zollikerberg), Praxis für Urologie (Kantonsspital Basel-Land), Walk-in-Praxis am Bahnhof Thun (Spital STS AG), Gesundheitszentrum in einer Grossüberbauung (Luzerner Kantonsspital) etc. etc. Die Entwicklung ist nachvollziehbar. Es gibt immer mehr Ärztinnen, und die wollen mehr als ihre männlichen Kollegen Teilzeit arbeiten. Beide Geschlechter ziehen häufiger als früher ein Angestelltenverhältnis der eigenen Praxis vor. Hausärzte sterben aus. Und nicht zuletzt sind die Konsumenten anspruchsvoller geworden. Man will alles zu jeder Tageszeit und subito. Auch medizinische Leistungen. Prämienschock hin oder her. Wenn um 11 Uhr nachts der Darm zwickt, will man sofortige Abklärung. Wer weiss, was sonst daraus entstehen könnte! Und der freundliche – möglicherweise auch bereits bonusgesteuerte – Arzt in der Walk-in-Praxis vom Kantonsspital XY kennt auch gleich die Lösung. Die teuren Röntgen-, Ultraschall, Kernspin-, Infrarot- und Positronen-Emission-Geräte des Spitals, dem die Praxis angeschlossen ist, müssen ja schliesslich amortisiert werden. Eine Darmspiegelung – nur zur Sicherheit – kann auch nicht schaden und, äh, «Sie hinken? Schauen wir das Knie auch gleich noch an, wenn Sie schon da sind.» Alles im Dienste des Patienten. Wer wagte es, etwas anderes zu denken.
Sie halten das für übertrieben? Wir zitieren gerne aus dem Aktionärsbrief eines Regionalspitals: «Ab Mai kam es jedoch zu einem unerwarteten, länger anhaltenden Abfall bei der Auslastung, der auch von anderen Spitälern vermeldet wurde….» Na, da sollten wir uns doch eigentlich alle freuen. Offenbar geht es der Bevölkerung gut, die Leute sind weniger krank und brauchen deshalb weniger medizinische Betreuung. Aber so denkt ein Spitaldirektor nun mal nicht. Und die Aktionäre (meist die öffentliche Hand!) auch nicht. «Wir arbeiten nun noch aktiver daran, die vorhandenen Betten- und OP-Kapazitäten durch gezielte Massnahmen besser auszulasten», lautet die Lösung des «Problems» mit der gesunden Bevölkerung. Wie? Ausbau Akutgeriatrie, Eröffnung eines Adipositaszentrums, neue 3D-Kamera für Operationen, alles evidence-based und im Dienste der Bevölkerung. Klar doch!
Prämienschock? Jaja, den haben wir natürlich alle auch. Aber da ist der Sündenbock ja schon seit langem gefunden. Wir empören uns über den exorbitanten Preis von 7.25 Franken für ein Generikum, schreien Hochpreisinsel für Medikamente – und spazieren wegen ein bisschen Verstopfung in die Permanence des Spitals YZ. Kosten? Mit etwas Glück für den Patienten, für die Krankenkassen und die Allgemeinheit bleibt es bei einem dreistelligen Frankenbetrag für die Konsultation. Röntgen-, Ultraschall, Kernspin-, Infrarot- und Positronen-Emission-Geräte und Überzeugungsgeschick des Arztes sei Dank lässt sich die Rechnung aber sicher in vielen Fällen in den vierstelligen Frankenbereich heben. Ausschliesslich nach rein medizinischen Gesichtspunkten und ausschliesslich im Dienste des Patienten selbstverständlich.

https://www.medinside.ch/de/post/auch-das-luzerner-kantonsspital-plant-ein-gesundheitszentrum  

30. September 2016

Foto © sudok1 Fotolia.com      

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