Informiert im Gesundheitswesen

Tiefpreiswahn mit Fehlinformation

round Button with Banner UNSER KRACHERMedikamente sind zu billig. Wenn Schmerztabletten und andere einfache Arzneimittel im Verkauf nur noch einige wenige Franken kosten dürfen, ist das für die Apotheke ein Verlustgeschäft. Anders in den Redaktionsstuben der Medien. Dort produziert man mit Medikamentenpreisen Schlagzeilen und füllt Seiten mit billig produziertem Stoff, da der Text im Verfahren Copy-Paste geschrieben und beliebig wiederverwertet werden kann. Was ändert, ist nur der empörte Konsument oder der Leserbriefschreiber, dem man gleich eine grössere Plattform im redaktionellen Teil anbietet. Der Empörte darf dann in extenso schildern, wie er für ein seiner Meinung banales Medikament abgezockt wird, für ein Medikament notabene, das er offensichtlich aber doch unbedingt braucht, denn wozu sonst der Aufschrei.

Im «Sonntag» vom 26. Juni zum Beispiel enerviert sich eine Konsumentin darüber, dass sie bisher für Magnesium San Pellegrino 7.35 bezahlen musste. Bezugsquelle war der SD-Arzt, und da das Produkt von der Krankenkasse nicht bezahlt wird, wurde es ihr anschliessend von der Krankenkasse in Rechnung gestellt. Neu bezieht dieselbe Konsumentin dasselbe Medikament in einer Apotheke und bekommt von Ofac eine Rechnung von 11.05 Franken.

Was tut der Journalist? Er singt ein Loblied auf Migros und Coop. Dort wäre dann alles viel billiger, behauptet der Verfasser, und Beratung braucht es ohnehin nicht – man kennt die Leier.

Es gibt aber auch noch eine andere Sicht der Dinge:

Im Februar 2015 erschien in der Konsumentenzeitschrift Saldo ein Bericht über die Margen bei Schweizer Grosshändlern. Aufschlag Migros für eine Nivea Tagescrème: 83,9%; Aufschlag Migros für eine Reinigungsmilch von L’Oréal: 88,5%; Aufschlag Migros für ein Schwarzkopf Haarfärbemittel: 93,4%. Angesichts der Verkaufspreise der genannten Produkte – sie wurden zwischen 9.55 und 16.50 Franken angegeben – ist eine solche Marge zwar nachvollziehbar. Schliesslich müssen die Kosten für Logistik, Verkaufspersonal, Infrastruktur des Ladens, Miete etc. gedeckt werden, und dass diese bei tiefpreisigen Produkten einen verhältnismässig höheren Anteil am Verkaufspreis ausmachen, ist klar. Aber zu behaupten, in der Migros wären viele Produkte viel günstiger zu haben als in der Apotheke, ist abenteuerlich. Von solchen Margen können die Apotheker nämlich nur träumen!

Kommen wir auf unser Magnesium San Pellegrino zurück. Die erwähnten 7.35 Franken entsprechen dem ungefähren Einstandspreis. Dass die Patientin das Produkt vom SD-Arzt zu diesem Preis erhalten hat, ist unwahrscheinlich. Wieso sollte der Arzt das tun? Auch er hat ja Kosten für seine Praxis. Deshalb ist es wohl so, dass er seine Marge in irgendwelche Taxpunkte gepackt hat, die für die Patientin nicht ersichtlich waren und die die Krankenkasse dann bezahlt hat, obwohl das Produkt in der Negativliste figuriert und deshalb von keiner Krankenkasse übernommen wird. Die Patientin hatte nicht die volle Transparenz.

Transparenz erhielt sie mit der Abrechnung von Ofac, die das Produkt zum Verkaufspreis von 11.05 Franken weiterverrechnete. Marge: 33,5%. Diese wird nämlich üblicherweise von oben berechnet, und nicht, wie das Journalisten der Effekthascherei zuliebe meistens tun, von unten. Aber auch dann liegt sie bei lediglich 50%, also weit unter der Marge, die Migros draufschlagen würde.

Der Artikel zeigt einmal mehr, dass Recherche und ausgewogene Berichterstattung bei vielen Medien Fremdwörter sind. Fette Schlagzeilen sind ihnen wichtiger.

https://www.luzernerzeitung.ch/importe/fupep/zas/so_zug/Noch-mehr-Konkurrenz-fuer-Apotheken;art128827,766586

30. Juni 2016

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