Es ist nicht zu fassen: Seit Jahren weiss man beim BAG, dass die MiGeL überarbeitet werden müsste. Und was tut man in den Berner Amtstuben? Man kürzt, weil man die Arbeit eigentlich bereits per Ende 2015 hätte erledigen müssen und allmählich in Erklärungsnotstand gerät, nun einfach willkürlich etliche Vergütungen per 1. Januar 2017. «Sofortmassnahmen» heisst das dann im Beamtenjargon, die «zu Einsparungen von mehreren Millionen Franken» führen. Damit nicht genug der Dreistigkeit. Das BAG preist seinen Hüftschuss auch noch vollmundig als «weiterer Schritt im Rahmen der Gesamtrevision der MiGeL» an.
Sorry, aber eine seriöse Überprüfung sieht anders aus. Man ist beim BAG offenbar weder in der Lage noch willens, die MiGeL seriös zu überarbeiten. Eklatantes Beispiel aus diesem seit Jahren andauernden Trauerspiel: Die Blutzuckerstäbchen. Die Senkung der Höchstvergütungsbeiträge für diese Produkte tragen laut spröder Auskunft der Mediensprecherin des BAG «wesentlich» zu den Einsparungen «von mehreren Millionen Franken bei». Dass diese «Einsparungen» nun einfach die Patienten bezahlen müssen, schreibt das BAG wohlweislich nicht.
Weshalb man diese Beiträge kurzerhand um 10 Prozent senkt. 50 Stück werden neu mit CHF 40.00 (alt 44.65), 100 Stück mit CHF 78.80 (alt 87.60) vergütet. Ein Problem sehen die gut bezahlten Beamten des Bundes darin nicht. Beziehungsweise sie wollen es nicht sehen. Man kann die lästige Pendenz nach publikumswirksam zur Schau gestellter Aktivität nun wieder auf die lange Bank schieben.
Kurzer Rückblick: Die Vergütung der Blutzuckermessstäbchen wurde bereits im Jahr 2011 vom BAG gekürzt. Dies gegen den Willen der Kommission für Analysen, Mittel und Gegenstände (EAMGK)! Resultat der selbstherrlichen BAG-Aktion: Die Apotheker mussten die Stäbchen teurer einkaufen, als sie sie laut MiGeL verrechnen durften! Etliche Apotheker machten die Faust im Sack und nahmen das Verlustgeschäft in Kauf, andere legten die Situation gegenüber ihren Kunden offen und stellten die Differenz den Versicherten in Rechnung bzw. liessen sie sie bar bezahlen.
Die Herstellerfirmen lehnten sich zurück. «Nicht unser Problem» hiess es da kaltschnäuzig. Bayer Health Care verstieg sich in einem Brief an die «Liebe Anwender unserer Blutzucker-Messgeräte Contour, Breeze oder Elite» sogar zur Behauptung, sie könnten da gar nichts dafür, denn die Höchstvergütung werde ja schliesslich vom BAG festgesetzt und auf die Verkaufspreise hätten sie leider, leider keinen Einfluss, denn die würden ja von den Apothekern festgelegt! Über die Fabrikabgabepreise für ihre Produkte schwieg sich Bayer wohlweislich aus. Auch über die zweifelhafte, aber bei den meisten Firmen übliche Praxis, den Patienten die Messgeräte zu schenken, damit man sie an der Angel hat, redet kaum jemand. Die Messstäbchen sind natürlich nicht mit anderen Geräten kompatibel. Damit sind die Nutzer gezwungen, die Stäbchen zu jedem Preis zu kaufen. Die Verärgerung über die Nachzahlung laden sie ja dann beim Apotheker ab. Die Hersteller sind fein raus.
Der IFAK Verein erreichte damals schliesslich, dass das BAG die Vergütung wieder so ansetzte, dass eine minimale Marge möglich war bzw. wenigstens kein Verlust entstand.
Und jetzt schiebt man beim BAG den schwarzen Peter erneut den Patienten und den Apothekern zu. Was für eine schändliche Schnoddrigkeit der Behörden, die sich seit Jahren um die Arbeit, die sie längstens erledigt haben müssten, drücken. Der Begriff «Sofortmassnahme» lässt zudem ernsthafte Zweifel aufkommen, ob diese willkürlichen Senkungen der Vergütungen mit der Kommission für Analysen, Mittel und Gegenstände (EAMGK) abgesprochen wurde. Mit der Inkraftsetzung per 1. Januar 2017 bleibt keinerlei Spielraum offen. Die Konsequenzen tragen einmal mehr die Apotheker, die den verärgerten Kunden gegenüberstehen. Dass die Hersteller ihre Preise so kurzfristig zu senken bereit sind, ist unwahrscheinlich. Es ist an der Zeit, dass man beim BAG endlich die Arbeit erledigt und die MiGeL seriös überarbeitet. Es besteht sicherlich bei einigen Posten Anpassungsbedarf, bei einigen Produkten allerdings auch nach oben!
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16. Dezember 2016
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