Geht es um den Verkauf von Medikamenten in der Arztpraxis stellen Ärzte die Apotheker gerne als unwissende Verkäufer dar, denen man gerade noch knapp das Hühneraugenpflaster zur freien Abgabe überlassen kann. Das Ziel ist klar, man will den Apotheker als lästigen Konkurrenten ausschalten. Jan von Overbeck, seit Anfang 2014 Kantonsarzt in Bern, stellt den Apothekern ein weit besseres Zeugnis aus. In einem Interview mit dem Informationsmagazin von PharmaSuisse dosis sagt er: «Bei meiner Arbeit für netCare habe ich an der Schulung der Apotheker teilgenommen und dabei gemerkt, dass sie sehr viel mehr über Medikamente wissen als Ärzte.» Overbeck plädiert dafür, den Apothekern mehr Kompetenzen zu geben, bei der Abgabe von Medikamenten, beim Impfen, bei der Triage, bei der Mitarbeit bei Pandemien. Zum Thema Pandemie bringt er ein interessantes Argument. Die Kranken würden zum Arzt gehen, die Gesunden aber wolle man dort wegen der Ansteckungsgefahr gar nicht hinschicken, «…sie müssen zum Impfen in die Apotheke oder zum Zahnarzt».
So strikt trenne liesse sich das bei einer Pandemie sicherlich nicht. Aber man fragt sich schon, warum grundsätzlich gesunde Personen wegen einer Impfung oder wegen geringfügigen Gesundheitsstörungen stundenlang in den Wartezimmern von Arztpraxen und Notfallstationen herumsitzen und dort (kostspielige!) Ressourcen beanspruchen sollen, die für die dringenden und wirklich nötigen Fälle gebraucht werden. Da klagen die Hausärzte seit Jahren, sie seien zu wenige und daher überlastet. Ja eben! Dann lasst euch doch um Himmels Willen von den Apothekern einen Teil der Last abnehmen! Die können das und werden neue Aufgaben mit Gewissenhaftigkeit und Fachkompetenz erfüllen. Wenn wir schon über die Last der Gesundheitskosten klagen, sollten wir nicht Gesunde zu Kranken machen. Die Apotheker können durchaus abschätzen, wer zum Arzt muss und wer mit pharmazeutischem Rat und Medikamenten in der Apotheke versorgt werden kann.
Nicht zuletzt entlastet die Kompetenzerweiterung der Apotheker die Krankenkassen. Es braucht nicht für jede Blasenentzündung, für jedes Urseli am Lidrand und für jeden Scheidenpilz zwingend eine Arztkonsultation. Aus 10 oder 20 Franken für ein Medikament werden inklusive Arztkonsultation leicht 100 oder 200 Franken.
Das ganze Interview mit Jan von Overbeck hier:
http://www.pharmasuisse.org/DE/dienstleistungen/publikationen/dosis/seiten/dosis.aspx
10. September 2014
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