Der Versandhandel mit Medikamenten ist in der Schweiz grundsätzlich verboten. Ebenso verboten ist das «Versprechen und Annehmen geldwerter Vorteile» (Art. 33 HMG). Und, so steht es in der Verfassung, vor dem Gesetz sind alle gleich. Bei Zur Rose gelten aber offensichtlich andere Regeln. Das Unternehmen praktiziert den Medikamentenversandhandel seit Jahren ungehemmt, seit einiger Zeit auch mit OTC-Produkten, für die es – so steht es im Gesetz – ein Rezept braucht, wenn sie per Post verschickt werden. Simpler Trick von Zur Rose: Man beschäftigt ein paar Ärzte, die Fernrezepte ausstellen, allein aufgrund eines Fragebogens, den der Kunde ausfüllt. Die Zur-Rose-Ärzte sehen die Kunden nie, kennen sie nicht persönlich, sie verlassen sich einfach auf das, was der Patient auf den Zettel geschrieben hat. So viel zur ärztlichen Sorgfaltspflicht.
Jetzt zum Vorwurf der Korruption. Swissmedic schreibt in ihrem Bulletin 1/2006, S. 20-45, zum Art. 33 HMG: «Demnach muss die Gewährung eines geldwerten Vorteils bereits als Gefahr einer möglichen Beeinflussung bezeichnet werden – und fällt demnach in den Geltungsbereich von Art. 33 HMG – wenn der Vorteil einen auch nur indirekten Bezug zu einem oder mehreren bestimmten Arzneimittel aufweist.» Und im selben Bulletin zum Thema Korruption: «Weil die Stellung einer medizinischen resp. pharmazeutischen Fachperson derjenigen einer Amtsperson bzw. eines Behördemitglieds ähnlich ist (Ziff. III.1), sind auch die Bestimmungen des Korruptionsstrafrechts heranzuziehen.»
Zur Rose bezahlt dem Arzt für jeden neuen Patienten CHF 40.-, für jede Zeile auf einem Rezept CHF 1.- und für jeden Patienten noch eine Pauschale von CHF 12.-.
Rechnen wir mal: Ein Arzt führt seine Chronischkranken dem Zur Rose-System zu. Nehmen wir mal an, er kann 300 Patienten für den Versandhandel gewinnen. Jedem dieser 300 Patienten schreibt er 6 Rezepte pro Jahr mit 3 Zeilen pro Rezept. Er verdient im ersten Jahr:
300 x CHF 40.- = CHF 12‘000 (Prämie für Neupatienten)
1800 Rezepte à 3 Zeilen ergeben à CHF 1.- = CHF 5400.- (Vergütung pro Zeile)
300 x CHF 12.- Prämie pro Patient = CHF 3600.-.
Ergibt total CHF 21‘000.-!
Das sollen keine geldwerten Vorteile, keine Beeinflussung, keine Vorteilsgewährung (gilt als aktive Bestechung) und keine Vorteilsannahme (gilt als passive Bestechung) gemäss Korruptionsstrafrecht sein?!
Und nota bene: Für diesen «Zustupf» von CHF 21‘000 muss der Arzt keine Leistung erbringen, die nicht bereits von der Krankenkasse bezahlt wird. Ausser dass er vielleicht da und dort wegen der geldwerten Vorteile noch eine Zeile mehr auf das Rezept schreibt. Zur Rose wird nichts dagegen haben. Mehr Rezeptzeilen, mehr Geld für beide.
Und der Patient? Der wagt ohnehin nicht, seinem Arzt zu widersprechen, und wenn er eines Tages gestorben ist, können ja dann seine Erben die Schränke voller ungebrauchter Medikamente in der öffentlichen Apotheke entsorgen. Bei dieser Dienstleistung sind ja dann weder die Ärzte noch Zur Rose dabei.
Geldwerter_Vorteil_und_Korruption
27. August 2013