Gewisse Feindbilder kriegt man aus den Köpfen von Journalisten nicht heraus. Eines davon ist der Apotheker. Wann immer die schreibende Zunft über die Medikamentenpreise herzieht, schränkt ihr die blinde Wut den Blickwinkel ein. Da schreibt ein Mitarbeiter der Zeitschrift Saldo einen ausführlichen Artikel über die Medikamentenpreise. Soweit, so gut. Über weite Strecken hat der Mann durchaus recht. Es ist so, dass die Gesamtkosten für Medikamente steigen, und es ist wohl auch so, dass die Pharmaindustrie Preissenkungen auf alten Medikamenten hinnimmt, weil sie genau weiss, dass sie den Verlust mit hochpreisigen neuen Medikamenten mehr als wettmachen kann. Dass der Journalist dann aber völlig undifferenziert die Apotheker in denselben Topf wirft, kann nur mit dem eingangs erwähnten Feindbild zusammenhängen. So schreibt nun eben 3-min.info, was an Genauigkeit im Artikel von Saldo fehlt:
Eine Untersuchung von IFAK Data vom vergangenen Jahr zeigt, dass der Durchschnittspreis pro Packung, der von Apotheken den Krankenkassen verrechnet wird, bei 56.35 Franken liegt. Und nicht wie suggeriert zwischen 130 und 250 Franken. Der von IFAK Data ermittelte Durchschnittspreis von 56.35 Franken basiert auf den Auswertung der Krankenkassenabrechnungen von 500 Apotheken während drei Monaten. Die Kostentreiber sind also keineswegs die Apotheker. Die teuren Medikamente werden vorwiegend von Spitälern und Ärzten abgegeben.
Es liegt in der Natur der Sache, dass viele der teuren Medikamente (HIV, Krebs, seltene Krankheiten etc.) mit einer stationären oder zumindest spezialärztlichen Behandlung einhergehen und daher auch vorwiegend bei den Spitälern und Ärzten anfallen. Was dabei aber ebenfalls erwähnt sein muss: Spitäler und Ärzte sind Entscheidungsträger. Sie bestimmen, welcher Patient welches Medikament erhält. Und ihr Umsatz hängt direkt mit dieser ihrer eigenen Entscheidung zusammen. Spitäler verkaufen immer häufiger Medikamente direkt an die Patienten und sind daher an hohem Umsatz interessiert. Dasselbe gilt für SD-Ärzte. Im Klartext: Je teurere und je mehr Medikamente Spitäler und SD-Ärzte verkaufen, desto höher ihr Gewinn.
Beim Apotheker ist dies anders. Bei der Verschreibung ist er kein Entscheidungsträger. Er führt die Rezepte aus, die er erhält. Er kann hie und da vielleicht noch ein Generikum anbieten, aber ganz bestimmt kann er die Menge nicht ausweiten. Im Gegenteil. Beim Apotheker schmälern die Preissenkungen und Margenkürzungen sein Einkommen massiv. Er wird mit jeder Sparrunde näher an den Abgrund gedrängt. Nicht so Spitäler und Ärzte. Sie ziehen sich aus der Affäre mit Mengenausweitung und dem Verkauf hochpreisiger Produkte. Was sogleich den Schrei nach der nächsten Preissenkungsrunde hervorruft und die Schere zwischen Apothekern und den anderen Absatzkanälen noch weiter auseinanderklaffen lässt.
Es wäre also langsam Zeit, dass in den Redaktionsstuben ein bisschen differenzierter argumentiert würde. Man mag sich dort freuen, wenn man eine Branche in den Ruin geschrieben hat. Für das Gesundheitswesen ist es jedoch ein schwerer Fehler, die Apotheken an den Rand zu drängen. Die Apotheker führen nämlich nicht nur Rezepte aus, sie sorgen auch dafür, dass die Bevölkerung sich bei Bagatellerkrankungen mit dem Rat eines ausgewiesenen Fachmanns und einigen kostengünstigen OTC-Präparaten selbst versorgen kann. Das müsste eigentlich auch im Sinn der um das Wohl der Bevölkerung so sehr besorgten Zeitschrift Saldo sein.
17. Mai 2013