Das ist ja ein Knüller! Der Präsident des Verbands der Schweizer Chirurgen Ralph A. Schmid warnt in einem Interview mit dem Bieler Tagblatt vom 7. März vor unnötigen Operationen. Mit der Einführung der Fallpauschalen steige das Risiko, dass Ärzte und Spitäler den Kostendruck durch die Pauschalen wettmachen, indem sie häufiger operieren. In Deutschland, wo die Fallpauschalen seit 2004 angewendet werden, nahm die Zahl der chirurgischen Eingriffe um 25 Prozent zu! Das lässt sich ja wohl schwer damit erklären, dass die Deutschen in dieser Zeit so viel kranker geworden sind. Vielmehr sind es knallharte Bonusverträge, mit denen deutsche Spitäler ihre Ärzte dazu anspornen – oder drängen – häufiger zum Skalpell zu greifen. In der Schweiz seien ihm solche Verträge nicht bekannt, sagt Schmid, aber: «Wir wollen frühzeitig und ehrlich auf die Gefahren des Kostendrucks hinweisen.» Ganz so heil ist die Welt allerdings auch hierzulande nicht. Selbständige Ärzte kommen durchaus auch bei uns auf kreative Ideen. Sie bieten laut Schmid zum Beispiel einem Spitalarzt seine Patienten an, sofern sie bei der Operation gegen Honorar assistieren dürfen. Und es gebe Gruppenpraxen, die ihre Patienten an das Spital mit höchsten Pay-back weiterleiten.
Angesichts solcher Horrorszenarien sollen wir der FMH nun glauben, dass die SD zum Wohle der Patienten sei? Wenn Ärzte Medikamente verkaufen, dann ist der Anreiz, den Umsatz willkürlich zu steigern noch grösser als bei unnötigen Operationen. Bei einer Operation sind immerhin mehrere Personen und Institutionen involviert, die mitmachen müssen, und auch der Patient lässt sich vielleicht nicht so ohne weiteres auf den Operationstisch zerren. Aber bei Medikamenten kann der SD-Arzt den Verkauf problemlos ausdehnen. Mindestens ein Vitaminpräparat kann man jedem Patienten andrehen (im Gegensatz zu künstlichen Kniegelenken und ähnlichem). Ausserdem kann der Arzt davon ausgehen, dass sich der Patient nicht zu wehren traut, auch wenn er eigentlich nicht so viele Medikamente einnehmen will. Er wird sich deswegen nicht streiten mit seinem SD-Arzt. Lieber trägt er die Tragtasche voll Medikamente stillschweigend nach Hause und stellt sie dort in die Besenkammer.
Es wäre schön, wenn die Einsicht auch bei der FMH reifen würde, dass ihre Mitglieder nicht alle selbstlose heilige Samariter sind! Die SD ist ein krasser Fehlanreiz. Es ist nicht einzusehen, warum man ihn auch noch auf die ganze Schweiz ausdehnen sollte. Im Gegenteil. Sie gehört in allen Kantonen ohne Wenn und Aber abgeschafft.
8. März 2013