Informiert im Gesundheitswesen

Zu spät, Herr Vasella!

Daniel Vasella verzichtet nun doch auf seine 72 Millionen Franken Abgangsentschädigung dafür, dass er nicht schnurstracks zur Konkurrenz wechselt. Wir sollten wohl jetzt alle beeindruckt sein. Sind wir aber nicht, der Schwenker kommt zu spät, der Schaden ist angerichtet und lässt sich nicht mehr aus der Welt schaffen. Das ist ärgerlich, nicht nur, weil solche Exzesse Regulierungen fördern, die mehr Unklarheiten schaffen als Übel beseitigen. Schädlich ist das Verhalten an der Novartis-Spitze (es ist ja nicht nur Daniel Vasella, der sich in weltfremden Sphären bewegt) für das Image der gesamten Pharmaindustrie. Wie soll man dem Normalverdiener irgendeinen Medikamentenpreis, und sei er noch so bescheiden, plausibel machen, wenn er täglich mit ansieht, wie sich einzelne Firmenchefs ungeniert astronomische Löhne und Boni auszahlen lassen. Da muss Geld in Dagobert Duck’schen Dimensionen vorhanden sein, denkt sich jeder. Also kann man locker noch stärker auf die Medikamentenpreise drücken.

Dass dies ein Fehlschluss ist, zeigt sich täglich. Produktionsstandorte werden ausgelagert und damit unsicherer (Fälschungen, Qualitätsmängel, Lieferunterbrüche). Bewährte Medikamente werden aus dem Handel genommen, weil sich deren Produktion wegen des staatlichen Preisdiktats nicht mehr lohnt. Quartierapotheken kämpfen ums Überleben. In vielen Berufen des Gesundheitswesens herrscht Nachwuchsmangel (schlechtes Image, unattraktive Arbeitszeiten).

Vor allem wird bei den hochemotionalen Diskussionen um Daniel Vasellas Abgangsentschädigung völlig ausgeblendet, dass die Feinverteilung der Medikamente vorwiegend durch die 1700 Apotheken der Schweiz geschieht. Dort arbeiten zu ganz normalen Löhnen Tausende von Pharma-Assistentinnen, Apothekerinnen und Apotheker, die im direkten Kontakt mit der Bevölkerung stehen, sich einsetzen für eine gute Versorgung mit Medikamenten und viel dazu beitragen, dass in der Schweiz eine sichere und verantwortungsvolle Selbstmedikation möglich ist. Diese Mitarbeiter werden in denselben Topf geworfen wie die milliardenschwere Pharmaindustrie. Mit der undifferenzierten Forderung nach Margenkürzungen und Senkung der Medikamentenpreise auch bei den Apotheken, riskieren wir, einen wichtigen Pfeiler in der Gesundheitsversorgung zu opfern.

72 Millionen Franken sind für Novartis ein leichtes Flimmern des Kontostands. Aus dieser Sicht sollten wir alle zur Tagesordnung übergehen. Verheerend sind die Signale, die von den Daniel Vasellas dieser Welt ausgesendet werden. Man wünscht sich wieder etwas mehr Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft und mehr Bodenhaftung in den Chefetagen.

20. Februar 2013

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