In der NZZ am Sonntag vom 13. Januar kommentiert Bruno Imthurn, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe und Klinikdirektor am Universitätsspital Zürich die am Fernsehen geäusserte Empfehlung des Präsidenten der Swissmedic-Begleitkommission, die Pille nicht mehr an Frauen unter 18 zu verschreiben. Argumentation der Swissmedic: Die Studien zu den Pillen würden nur Frauen über 18 einbeziehen. Imthurn bezeichnet die Empfehlung der Schweizerischen Arzneimittelbehörde als verheerend. Jede Studie arbeite mit einem bestimmten Kollektiv, das in der Realität so nicht vorkomme. Für den verschreibenden Arzt bedeute dies, dass er sich bei jeder Verschreibung rasch ausserhalb des von der Swissmedic vorgegebenen Sicherheitskreises befinde. Imthurn befürchtet, dass Ärzte in Zukunft vor einer Verschreibung der Pille an junge Frauen zurückschrecken könnten und sie damit dem Risiko einer unerwünschten Schwangerschaft aussetzen, «notabene einem Zustand mit einem mehrfach höheren Thromboembolie-Risiko als jede heute behördlich genehmigte Verhütung!», wie Imthurn in seinem Schlusssatz schreibt.
Diese Entwicklung ist auch für die Apotheker von Belang. Mit solchen realitätsfernen Empfehlungen schleicht sich Swissmedic aus der Verantwortung, die sie nun einfach an die verschreibende beziehungsweise abgebende Medizinalperson abschiebt. Für den Arzt bedeutet dies, dass er sich drei Mal überlegen muss, ob er ein Pillenrezept ausstellt. Und der Apotheker, ob er es ausführen soll! Finden beide es vernünftig, eine junge Frau vor einer unerwünschten Schwangerschaft zu bewahren, leben sie im ständigen Risiko, vor Gericht gezogen zu werden, sollte diese Frau durch irgendeine Nebenwirkung zu Schaden kommen. Und wie wir alle wissen, beinhaltet jedes Medikament ein gewisses Risiko. Dies der Bevölkerung zu vermitteln, wäre eine sinnvollere Rolle der Arzneimittelbehörde als mit Angstmacherei die Bevölkerung zu verunsichern. Aber bei Swissmedic macht man es sich offenbar lieber einfach und hält sich selbst auf der sicheren Seite. Zu Recht schreibt Imthurn: «Wenn die Verantwortung von den mächtigen Regierungsbehörden zunehmend an den einzelnen Arzt abgeschoben wird, kann man sich fragen, wozu denn Swissmedic überhaupt noch da ist.»
14. Januar 2013