In Griechenland ist die Situation auch im Gesundheitswesen dramatisch. Die Krankenkassen stehen offenbar bei den Apothekern mit über 500 Millionen Euro in der Schuld. Laut einem Bericht im Bund vom 7. Juni mussten in den vergangenen Monaten 120 griechische Apotheken Konkurs anmelden. Spitäler werden nicht mehr oder nur noch mit den allernotwendigsten Medikamenten beliefert, weil auch sie keine Rechnungen mehr bezahlen. Allein bei Roche sollen Rechnungen für Lieferungen in südeuropäische Länder von zwei Milliarden Franken offen stehen. Eine schwierige Situation für die Pharmaindustrie. Kein Unternehmen kann es sich leisten, solche Ausfälle einfach hinzunehmen. Auf der anderen Seite kommt bei Medikamenten wie bei kaum einem anderen Produkt sofort das Argument der moralischen Verpflichtung ins Spiel. Für die Patienten kann die Verfügbarkeit der Medikamente über Leben und Tod entscheiden. In Griechenland spenden inzwischen Angehörige von verstorbenen Krebspatienten die übrig gebliebenen Medikamente.
Das sind unschöne Entwicklungen, die sich keiner wünscht. Die Situation in Griechenland zeigt, welche zentrale Funktion das Medikament hat. Pointiert gesagt, geht in der Medizin ohne Medikamente gar nichts. Man wundert sich deshalb schon gelegentlich, dass das Arzneimittel fast ausschliesslich als lästiger Kostenfaktor wahrgenommen wird. Dies selbst von «Experten», die es eigentlich besser wissen müssten. Bis vor wenigen Jahrzehnten starben die Leute unter Umständen an einfachen Infektionskrankheiten, weil es keine Antibiotika gab. Ganz zu schweigen von all den modernen Präparaten, die es uns erlauben, bis ins hohe Alter ein aktives Leben zu führen. Damit soll nicht gesagt sein, dass die Pharmaindustrie für ihre Produkte Mondpreise verlangen soll. Aber man macht es sich zu einfach, wenn man immer nur Tiefstpreise fordert. Der Vergleich mag hinken, aber Zeitungen sind sicher nicht besser geworden, seit man sie gratis bekommt.
7. Juni 2012