Irgendwie scheint es zur Seelenhygiene mancher Journalisten zu gehören, alle paar Wochen angebliche Missstände bei den Apotheken aufzudecken und ihnen Raffgier zu unterstellen. Unter dem Titel «Apotheken verkaufen lieber teure Generika» haben sich zwei Sherlock Holmes-Nachfolger der Zeitschrift Saldo auf den Weg gemacht. Ungeheuerliches hat sich zugetragen. Die beiden legten in diversen Apotheken ein Rezept vor, einmal für Omeprazol, einmal für Losartan, und stellten fest, dass sie nicht überall das absolut billigste Generikum erhielten. Sofort war für die beiden Sherlock Holmes-Nachfolger klar: Die Apotheker verdienen sich zulasten der armen, hilflosen Patienten dumm und dämlich. Obwohl die Preisdifferenz in etlichen Fällen unter einem Franken lag, empörte sich das Journalistenduo in der Ausgabe des Magazins vom 15. Januar heftig und witterte nicht nur kaltblütige Habgier der Apotheker, sondern auch noch dunkle Machenschaften mit der Pharmaindustrie in Form von «vertraulichen Absprachen» und «Provisionen».
Es stimmt, Apotheker sind zur Wirtschaftlichkeit verpflichtet. Aber eine Monopolklausel für das billigste Generikum eines Wirkstoffs gibt es nicht. Ausserdem bedeutet Wirtschaftlichkeit ein bisschen mehr, als nur Tiefstpreise à la Discounter. Keine Apotheke kann von jedem Wirkstoff alle Generika an Lager halten. Sie muss sich für eine Auswahl entscheiden. Dabei zählen auch Faktoren wie Vertrauen in eine Marke, Zuverlässigkeit bei der Lieferung und breites Sortiment.
Gehen wir dennoch mal davon aus, dass sich ein Apotheker Saldo-konform verhält. Da kommt also jemand mit einem Rezept, und das erste, was der Apotheker tut, er verkündet dem unbekannten Kunden, er werde als erstes schauen, welches Generikum aktuell gerade das billigste sei. Er findet eins, das vierzig Rappen billiger ist, hat es aber nicht an Lager (aus oben genannten Gründen). Also teilt er dem Kunden mit, dass er das absolut billigste Generikum nicht im Haus hat, es aber bestellt. Auf den Nachmittag oder den nächsten Morgen. Der Kunde ist nun also gezwungen, unverrichteter Dinge nach Hause zu gehen und ein paar Stunden später nochmals in die Apotheke zu fahren, oder er lässt sich das Medikament von der Apotheke nach Hause liefern. Egal wie, eine Autofahrt und einiges an zeitlichem Aufwand sind in jedem Fall damit verbunden. Da alles wirtschaftlich sein muss, sollte diese Fahrt natürlich nicht mehr als vierzig Rappen kosten. Aber lassen wir das. So weit darf man natürlich nicht denken, sonst geht die Saldorechnung nicht mehr auf.
Damit ist die Geschichte aber noch nicht fertig. Was löst es in einem Kunden aus, wenn er den Eindruck erhält, dass das einzige Kriterium für sein Medikament der absolute Tiefstpreis ist? Manche mögen glücklich sein, andere haben vielleicht auch Zweifel, ob das Medikament denn auch wirklich gleich gut ist wie die andern. Diese Zweifel mögen unbegründet sein. Doch bekanntlich hat Medikamentenwirkung auch etwas mit der Psyche zu tun.
Und was, wenn der Patient ein paar Wochen später Nachschub braucht? Muss der arme Mensch dann auf das nächste billigste Generikum umsteigen? Schöne Aussichten. Der Compliance sind solche Rappenspaltereien bestimmt nicht zuträglich. Die anfänglichen vierzig Rappen Ersparnis könnten sich leicht als Flop im hohen Frankenbereich entpuppen.
17. Februar 2012