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Seltsame Entscheide bei der EAMGK

Seit 1. Januar 2011 sind die vom BAG vorgeschriebenen Höchstpreise für Blutzuckermessgeräte und Blutzuckermessstreifen derart tief angesetzt, dass die Apotheker im Einkauf für die meisten Produkte mehr bezahlen müssen als sie gemäss Höchstvergütungbetrag HVB von den Krankenkassen vergütet erhalten. Wie es zu dieser unhaltbaren Situation kam, liest sich wie ein Krimi.

Man kann sich leicht vorstellen, dass die Apotheker durch die staatlich verordnete Preissenkung in eine unmögliche Lage geraten sind. Entweder sie nehmen das Verlustgeschäft hin oder sie bitten ihre Kunden, den Aufpreis aus der eigenen Tasche zu bezahlen, was diese vergrault, weil sie verständlicherweise nicht einsehen, weshalb sie nun plötzlich einen Aufpreis bezahlen sollten.

Angesichts dieser unhaltbaren Situation wurde der IFAK Verein, eine Interessengemeinschaft von rund 350 Apothekern, aktiv. IFAK fand einen Lieferanten, der bereit ist, die Preise so anzusetzen, dass dem Apotheker eine angemessene Marge erhalten bleibt. Damit hatten die Apotheker eine Alternative. Zumindest theoretisch. Denn die meisten Kunden, die sich regelmässig den Blutzucker messen, wechseln nicht gerne das Produkt. Eine befriedigende Lösung auf Dauer ist damit nicht gefunden.

IFAK verlangte Einsicht in das Protokoll der EAMGK (Eidgenössische Kommission für Analysen, Mittel und Gegenstände), die für die Festsetzung der MiGeL-Preise zuständig ist (MiGeL = Mittel- und Gegenständeliste). Dies gemäss dem Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung. Das Protokoll kam. Ein 27 Seiten starkes Papier. Der einsehbare Inhalt reduziert sich jedoch stark, denn zwischendurch wurden ganze Seiten mit dicken schwarzen Strichen unleserlich gemacht.

Anfang Oktober stellte IFAK einen Antrag auf Erhöhung des Höchstvergütungbetrages HVB auf ein markgerechtes Niveau, konkret auf eine Preiserhöhung um mindestens 20 Prozent. In der Begründung schreibt IFAK unter anderem:

«Aus dem Protokoll der MiGeL-Kommission geht unter Punkt 5.2 hervor, dass die Firmen auf Grund der Preissenkung vom 1.1.2010 ihre Preise auf HVB gesenkt hätten. Wir bezweifeln diese Aussage aus folgendem Grund: Die Firmen verkaufen an die Grossisten (ev. direkt an die Apotheker) und setzen einen ex-Factory-Preis fest. Gemäss Kartellgesetz ist es den Produzenten nicht erlaubt, den Publikumspreis festzulegen. Der Endverkaufspreis wird daher vom Apotheker festgesetzt. Dieser hat sich in der Vergangenheit unter Einbusse seiner Marge, dem HVB angepasst. Anders ist es bei den ex-Factory Preisen:

Unsere Analyse, Beilage 2 (Entwicklung der Apotheken-Einkaufspreise im Vergleich zum HVB bzw. SL) zeigt, dass die Einkaufspreise in keinem Verhältnis zur Senkung des HVB der MiGeL angepasst wurden: In der Periode 2002-2011 sank der HVB um 39%, während der Einkaufspreis um lediglich 10% sank.

Das Protokoll der MiGeL-Kommission zeigt, dass die Mehrheit der Mitglieder eine Senkung des HVB um 20% abgelehnt hat. Auf Druck von santésuisse und basierend auf unvollständigen und z. T. falschen Angaben, hat jedoch die Kommission einem Kompromiss-Antrag in Form einer 10% Senkung zugestimmt.

Entgegen der Empfehlung der MiGeL-Kommission hat das Departement des Innern am 3. Dezember 2010 eine Preisreduktion von 20% beschlossen. Formell ist zwar die Behörde befugt, den Entscheid frei zu fällen und sich somit über die Empfehlung der Kommission hinweg zu setzen. Mit einem solchen Entscheid ist jedoch der Sinn und Zweck der MiGeL-Kommission in Frage gestellt. Ebenfalls in Frage gestellt ist der ganze Prozess der vom BAG veröffentlicht wurde (vergl. dazu «Der neue Prozess der Antragstellung und Beurteilung im Überblick» von Dr. med. Felix Gurtener, Juni 2008). In einem sehr gut entwickelten Rechtsstaat wie wir ihn in der Schweiz kennen, ist es stossend zu entdecken, dass die Verwaltung die eigenen Regeln nicht einhält.»

Das BAG will den Antrag im Frühjahr 2012 behandeln.

21. Dezember 2011

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