Wer sich in England unter das Messer legt, muss eine gute Portion Gottvertrauen mitbringen. Der Nachrichtensender BBC Panorama zeigte in einer Sendung vom 29. Juni auf, unter welch haarsträubenden Bedingungen in Pakistan zum Teil chirurgische Instrumente hergestellt werden. Raue Kanten, Materialfehler im Stahl, die zu Absplitterungen führen können, korrodierte Metalle und teilweise komplettes Fehlen von Hygiene und Qualitätskontrolle. Fast 20% der Instrumente erwiesen sich bei in England vorgenommenen Tests als unsicher, dies vor dem Hintergrund, dass 70% der in Grossbritannien registrierten Hersteller in Pakistan Produktionsstätten betreiben und zwei Drittel aller chirurgischen Instrumente aus dem Norden Pakistans stammen. Grössere Betriebe arbeiten zwar in modernen Betrieben mit rigoroser Qualitätskontrolle. Kleinere unter den über 900 Unternehmen, die in Grossbritannien chirurgische Instrumente herstellen oder vertreiben, lagern ihre Produktion jedoch in kleine Werkstätten in Hinterhöfen aus, in denen manchmal nicht einmal eine Lupe für die Qualitätskontrolle vorhanden sei.
Für die Patienten sind die Folgen schwerwiegend. Scharfe Stahlkanten reissen mikroskopisch kleine Löcher in die OP-Handschuhe, was als eine der wahrscheinlichen Ursachen für MRSA-Infektionen (multiresistente Staphylococcus Aurea Infektionen) gilt. In fehlerhaften Oberflächen können sich zudem Gewebe und Körperflüssigkeiten ablagern, eine weitere mögliche Infektionsquelle.
Da sträuben sich auch dem Schweizer Leser die Nackenhaare. Aber manche glauben weiterhin an die Unbedenklichkeit von Parallelimporten (die ja nur Sinn machen, wenn man billig(st)e Bezugsquellen findet), an Staatsmedizin (England ist ja nun wirklich kein Entwicklungsland, aber die staatlichen Gesundheitsbehörden scheinen mit den Kontrollen trotzdem überfordert zu sein, und ausweichen können die Patienten nicht) und an Preisangleichungen ans billige Ausland (wenn man sich den hohen Schweizer Qualitätsstandards entzieht, ist es leicht, zu Spottpreisen zu produzieren).
http://news.bbc.co.uk/panorama/hi/default.stm
30. Juni 2011