Ein Berner Hausarzt steht vor Gericht, weil er während Jahren Medikamente an Drogensüchtige verkauft hat. Er erzielte damit einen Umsatz von 270‘000 Franken und einen Reingewinn von 143‘000 Franken. Der Arzt verteidigte sich, er sei nicht der «Dealer im weissen Kittel». Die Sache war ihm offenbar über den Kopf gewachsen. Am Anfang versuchte er die Süchtigen mit Medikamenten zu stabilisieren, und als er merkte, dass ihm die Dinge aus dem Ruder liefen und er aufhören wollte, hätten ihn seine Klienten bedroht.
Vielleicht hätte der Arzt sich eine Menge Ärger erspart und seinen guten Ruf nicht aufs Spiel gesetzt, wenn er überhaupt nie angefangen hätte, Medikamente zu verkaufen. Es gibt gute Gründe, die Selbstdispensation zu verbieten! Dass allerdings die Berner Gesundheitsdirektion auf Hinweise eines Apothekers, der die unerlaubten Praktiken des Arztes schon Ende der 1980er-Jahre meldete, jahrelang kaum reagiert hat und auch die spätere Intervention von Swissmedic anlässlich der Betäubungsmittelkontrolle nichts fruchtete, wirft ein Licht auf den politischen Willen, das Gesetz durchzusetzen. Im Kanton Bern ist der Verkauf von Medikamenten durch den Arzt nur in Ausnahme- und Einzelfällen erlaubt. So völlig unbedarft ist der Arzt also nicht in die heutige Situation geraten. Die 143‘000 Franken Reingewinn haben die kritische Distanz und die fachliche Unabhängigkeit offensichtlich getrübt. Mit gnädiger Nachsicht der Behörden.
27. Mai 2010