«Dreissigfacher Preis für Generika» titelt der Tages-Anzeiger vom 21. Oktober. Der ehemalige Kassensturz-Moderator Urs P. Gasche hat herausgefunden, dass in Holland eine Packung mit 30 Tabletten einem Simvastatin-Generikum à 40mg nur 1.17 Franken koste, in der Schweiz dagegen durchschnittlich 42.60. Skandal! schreit es in der Folge auf mehreren Seiten des Tages-Anzeigers. Die Leier mit den ewig gleichen Argumenten wird einmal mehr in Gang gesetzt. Ein paar Gedanken dazu:
Nehmen wir an, die 1.17 Franken stimmen. Dann hoffen wir erstens für die holländischen Apotheker, dass sie unabhängig vom Verkaufspreis abgegolten werden, denn sonst müssten sie allesamt den Laden dicht machen.
Zweitens muss man sich schon fragen, ob wir wirklich rezeptpflichtige Medikamente zu solchen Schleuderpreisen wollen. Warum nicht gleich gratis? Gratiszeitungen haben wir ja auch schon. Sie sind nicht zu übersehen, weil sie jeder achtlos auf den Boden wirft. Die Konsequenzen kennen wir auch. Die Branche geht in die Knie. Zeitungen mit fundierter Hintergrundinformation stehen vor dem Ruin, und Gratiszeitungen gibt's auch nur noch wenige, weil die Budgets der Inserenten nun mal nicht grösser sind, nur weil es mehrere Gratiszeitungen gibt.
Was das mit Medikamenten zu tun hat? Nun ja, manche Leute nehmen offenbar gerne in Kauf, dass Medikamente als Billigst- oder eben Gratisware wahrgenommen werden, die man mal so nimmt – kostet ja nix – und vielleicht im nächsten Moment wegwirft – ach nein, war doch nicht so interessant (Stichwort Medikamentenabfall, vergleiche Gratiszeitungen). Sie nehmen weiter in Kauf, dass seriöse Beratung verschwindet, denn sorry, aber bei Preisen nahe dem Nullpunkt, kann man sich nur noch einen Service à la Selbstbedienung leisten (Stichwort Hintergrundinformation bzw. Compliance, aber die spielt bei den Schleuderpreisen wohl auch keine Rolle mehr).
Stellen wir uns, drittens, folgendes Szenario vor: Jemand braucht eine Operation, geht ins Spital, wo sämtliche Abklärungen und Untersuchungen (nochmals) gemacht werden, die Operation kostet x tausend Franken, der Aufenthalt kostet ebenfalls x tausend Franken, und die Medikamente sind dann nicht mehr wert als ein paar lausige Fränklis? Irgendwie stimmen die Relationen nicht. Vor allem weil ohne Medikamente nicht eine einzige Operation stattfinden könnte, angefangen vom Narkotikum über das Schmerzmittel bis zu den Antibiotika, Antikoagulantia, Hypertensiva etc. etc.
Mit anderen Worten, ausgerechnet Konsumentenbeschützer legen es darauf an, dass nur noch Billigstmedikamente aus der Vergangenheit (das sind Generika nun mal) zum Einsatz kommen. Was da wohl die so übereifrig und unfreiwillig beschützten Konsumenten dazu sagen?
Einziger Vorteil vom Ganzen: Für 1.17 lohnt sich nicht einmal die Piraterie mehr, da ist der Milchzucker noch zu teuer!
21. Oktober 2009