Finanzkrise? Das war gestern. Heute haben wir Schweinegrippe. Die Nachrichten überschlagen sich, und jede Nachricht verstärkt die Unsicherheit und Konfusion in der Bevölkerung. Vor allem wollen alle Tamiflu. Obwohl die Fachleute abraten, die Kapseln auf Teufel komm raus zu schlucken, tut's trotzdem die halbe Bevölkerung. Erst recht seit Beda Stadler (obwohl er das inzwischen dementiert) einem Blick-Reporter gesagt haben soll, jeder sollte ein Tamiflu vorrätig halten. Wie läuft es denn jetzt mit den Tamiflu-Vorräten? 3-min.info hat sich ein wenig umgehört:
Tamiflu 75mg Kapseln gibt es genügend, der Nachschub klappt.
Tamiflu 30mg und 45mg (Kinderdosierung) sind erst seit gut einem Jahr im Handel. Bis jetzt war die Nachfrage gering, die Vorräte reichen laut Angaben von Roche aus, um echte, diagnostizierte Grippefälle bei Kindern in speziellen Zentren zu behandeln.
Die Versorgung im Pandemiefall liegt beim Bund. Wenn das dort eingelagerte Tamiflu zum Einsatz kommt, erhält jeder Kanton ein Kontingent und verteilt das Grippemittel nach seinem eigenen kantonalen Dispositiv. Das sieht von Kanton zu Kanton anders aus und ist von den jeweiligen Gesundheitsdirektionen zu erfahren.
Wie sinnvoll diese Dispositive sind, wird sich im Ernstfall zeigen. Zweifel sind angebracht. Allein die Tatsache, dass in jedem Kanton etwas anders gilt, ist nicht gerade das gelbe vom Ei. Wie soll denn das vernünftig kommuniziert werden! Eine staatliche Logistik aufzubauen, ist ebenfalls äusserst fragwürdig. Der Pharmabranche muss man nun wahrlich nicht beibringen, wie eine zuverlässige und effiziente Logistik funktioniert. Es ist also absolut nicht einzusehen, warum man nicht die allgemein bekannten, normalen Vertriebskanäle nutzen kann über den bestens aufgestellten Grosshandel und die Apotheken. Der Kanton Zürich zum Beispiel sieht «dezentrale Verteilstellen» in der Stadt Zürich und in den Bezirken vor. Dort sollen dann Pflegeheime und Spitäler die Medikamente abholen.
Und wie muss man sich das ausserhalb der Spitäler vorstellen? Steht da die Feuerwehr von Hombrechtikon, Wetzwil oder Bülach an einem Stand und verteilt Tamiflu? Oder strömen die 360‘000 Einwohner der Stadt Zürich in die Kantonsapotheke, um sich dort vor dem Schalter in die Schlange zu stellen? Oder fährt ein alter Migros-Wagen durch die Quartiere, begleitet von einem Tele Züri-Reporter, der live darüber berichtet, wo die Grippekranken sich gerade aus dem Bett schleppen können, um ihr Tamiflu zu ergattern? Was bitte soll an solchen Verteilstrukturen besser sein, als bei einer Verteilung über die bewährten Fachkanäle, sprich Pharmagrosshandel und Apotheken!?
Hoffen wir, dass die Schweinegrippe nicht kommt. Falls doch, ist es vielleicht doch besser, man hat sein Tamiflu schon vorher gehamstert.
30. April 2009