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FMH fordert Couchepins Rücktritt

Jetzt kommt's dicke. Die FMH fordert in einer am Sonntag, 22.2.2009, veröffentlichten Medienmitteilung Bundesrat Couchepin offen zum Rücktritt auf. Die FMH wirft Couchepin und dem BAG unter anderem Inkompetenz, Willkür und realitätsferne Entscheidungen vor. Pascal Couchepin sei deshalb nicht mehr tragbar. Er habe den Blick für das Ganze verloren und solle frischen Kräften Platz machen. Couchepin sieht das Ganze etwas anders. In einem Interview mit der NZZ am Sonntag erklärt er, die Ärzte wollten die heutigen Gegebenheiten nicht wahrhaben und stemmten sich gegen notwendige Veränderungen. Den FMH-Präsidenten Jacques de Haller bezeichnet er als eine Art Gewerkschaftsboss und als solcher brauche er eben ein Feindbild. Und das sei nun halt er, Pascal Couchepin. Auf die letzte Frage des Interviewers, es entstehe der Eindruck, der einzige gemeinsame Nenner in der Gesundheitspolitik sei die Kritik am Gesundheitsminister, antwortet dieser lakonisch: «Das ist schon fast ein Kompliment. Es ist wie im Kalten Krieg: Damals hatte man auch ein klares Feindbild, was für alle bequem war.» Für alle? Oder doch vor allem für den, der einfach alles an sich abprallen lässt?

Hier die Medienmitteilung der FMH im Wortlaut:



Medienmitteilung

Bern, 22. Februar 2009

Zur Politik von Bundesrat Pascal Couchepin

Inkompetenz im Departement Couchepin

Die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH ist besorgt: Immer öfter fällen Bundesrat Pascal Couchepin und das ihm unterstellte Bundesamt für

Gesundheit (BAG) inkompetente und willkürliche Entscheide. Sie schlagen Expertisen oder Empfehlungen von involvierten Partnern selbstherrlich in den Wind und schädigen damit das Schweizer Gesundheitswesen. Aus Sicht der FMH ist Bundesrat Pascal Couchepin deshalb nicht mehr tragbar. Damit die Schweizer Bevölkerung auch in Zukunft auf eine gut funktionierende, qualitativ hochstehende und flächendeckende Gesundheitsversorgung zählen kann, braucht es im Eidgenössischen Departement des Innern eine neue Kommunikationskultur.

Ende Januar hat der Gesundheitsminister entschieden, die Tarife für Laboruntersuchungen in der Schweiz um durchschnittlich 20 Prozent zu reduzieren. Dass damit rund 7500 Praxislabors nicht mehr kostendeckend arbeiten können und längerfristig schliessen müssen, spielt für ihn keine Rolle. Ein von der Ärzteschaft ausgearbeitetes alternatives Kostenmodell – der so genannte Point-of-Care-Tarif – mit betriebswirtschaftlich korrekten Tarifen für alle Beteiligten hat er ebenso wenig berücksichtigt, wie er sich nicht um die Empfehlung der beratenden Experten-Komission – die Eidgenössische Kommission für Analysen, Mittel und Gegenstände (EAMGK) – scherte. L'État c'est moi, ich entscheide selbst! Was dabei herauskommt, zeigt sich bei einer genaueren Prüfung des Kostenmodells des BAG. Die FMH hat inzwischen neun der gängigsten Analysen in der Grundversorgung untersucht – sieben davon weisen offensichtliche Fehler auf. Ein einfaches Beispiel: Im neuen Tarif ist für das Bestimmen des Blutzuckerwertes (HbA1c) auch ein Zentrifugationsschritt vorgesehen – obwohl die Probe dadurch unbrauchbar wird.

Doch nicht genug: Der neue Labortarif führt zu paradoxen Resultaten: Zwei Drittel der Ärzte erfahren eine Absenkung zwischen 15 und 35 Prozent; ein Drittel der Umsätze in den Praxislabors fallen mit dem neuen Tarif um bis zu 40 Prozent höher aus als heute! Das hat eine Untersuchung anhand der Daten der Ärztekasse ergeben, welche – auf den Grundlagen des Jahres 2007 – den Umsatz in rund 2400 Praxislabors nach dem neuen Tarif berechnet hat. Anstatt die Zusammenarbeit mit den involvierten Partnern zu suchen, haben Bundesrat Pascal Couchepin und das BAG ihre Zahlen bis zum letzten Augenblick unter Verschluss gehalten. Die Leidtragenden sind die Patientinnen und Patienten.

Auch in anderen Dossiers scheint Bundesrat Pascal Couchepin den Überblick verloren zu haben. Ende Januar hat er angekündigt, die Grundversorger per 1. März 2009 mit einer Erhöhung der Pauschale bei Notfalleinsätzen zu stärken. Dabei wird der Tarif – so wie das die zuständigen Tarifpartner vereinbart haben – lediglich an das ursprüngliche Niveau angeglichen, nachdem eine 2007 eingeführte Senkung zu massiven Einbussen geführt hatte. Munter korrigiert wird auch im Bereich der ärztlichen Psychotherapie: Das BAG arbeitet daran, die per 1. Januar 2007 in der Krankenpflege-Leistungsverordnung KLV eingeführten Artikel wieder rückgängig zu machen, welche die Psychiaterinnen und Psychiater verpflichten, einen Vertrauensarzt hinzuziehen, wenn die Therapie mehr als 10 Sitzungen erfordert. Die Ärzteschaft hat schon frühzeitig darauf hingewiesen, dass diese Regelung keinen Sinn macht. Als ebenso unbrauchbar erweist sich eine ähnliche Reglung im Bereich der Physio- und Ergotherapie. Deshalb hat das BAG auch hier eine Korrekturrunde eingeläutet und vor wenigen Tagen angeordnet, die entsprechenden Artikel in der KLV nicht mehr anzuwenden.

Die willkürlichen Entscheide in der Tarifpolitik illustrieren eindrücklich, wie realitätsfern Bundesrat Pascal Couchepin agiert. Sein Departement gleicht im Gesundheitsbereich einer Baustelle: Für den Ende 2009 auslaufenden Zulassungsstopp für Ärztinnen und Ärzte ist noch immer keine überzeugende Lösung gefunden. Und auch in Bezug auf den Risikoausgleich ist noch keine konstruktive Regelung zustande gekommen. Der Gesundheitsminister hat aus den Augen verloren, wer in der Schweizer Gesundheitspolitik im Zentrum stehen muss – die Schweizer Bevölkerung. Zusammen mit dem BAG schraubt er im Alleingang an einzelnen Tarifen und verliert dabei den Blick für das Ganze. Deshalb empfiehlt die FMH Bundesrat Pascal Couchepin, frischen Kräften Platz zu machen – damit Offenheit und Dialogbereitschaft wieder Einzug halten im Eidgenössischen Departement des Innern.

http://www.fmh.ch/

22. Februar 2009

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