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Stop Piracy – an wem?

Die Kampagne «Stop Piracy» ist löblich. Sie bringt ein Phänomen an die Öffentlichkeit, das sicherlich vielen Konsumenten nicht bewusst ist, dessen Gefahren sie sich aber möglicherweise bereits mehrmals ausgesetzt haben. Ebenfalls löblich ist die Tatsache, dass weit über 500 Apotheken sich eine Woche lang einspannen lassen, über das Internet gekaufte Medikamente zu begutachten. Es könnte eine mühsame Woche werden. Oder auch nicht. Es gibt verschiedene mögliche Szenarien, die sich einzeln oder parallel abspielen könnten:

Szenario 1: Die Fälschungen sind so plump, dass man sie von Auge sofort erkennt. Dann wird der Apotheker wohl raten, die Produkte gleich dem Sondermüll zu übergeben. Damit stärkt er gegenüber dem Kunden vielleicht sein Ansehen als Fachmann, poliert aber vor allem auch sein Image als Medikamentenmüllentsorger der Nation auf. Dieses gibt er sich allerdings seit Jahrzehnten selbst.

Szenario 2: Es handelt sich um eine raffinierte Fälschung. Die Tabletten gleichen dem Original aufs Haar, die Packung ebenfalls. Also ab damit zu Swissmedic. «Kommen Sie in einem Jahr wieder, dann wissen wir mehr», muss der Apotheker in diesem Fall wohl dem Kunden sagen, denn «Swissmedic wird jetzt leider ein bisschen überschwemmt mit zweifelhaften Medikamenten».

Szenario 3: Es kommt kein Mensch. Wer sich nicht traut, das Viagrarezept beim Arzt einzufordern oder den Apotheker zu bestechen, dass der ihm eins ohne Rezept verkauft, wird ja wohl jetzt nicht mit einem Sack voll Viagra vom Internet in die Apotheke spazieren und zuschauen, wie der Apotheker die Bescherung auf den Tresen schüttet und aufgebracht über so viel Unvernunft den Kopf schüttelt.

Szenario 4: Die Apotheker müssen jeden Morgen einen Berg Medikamentenmüll beiseite schaffen, bevor sie die Apotheke betreten können. Der Aufruf «Stop Piracy» hat seine Wirkung getan. Nur kamen ganz zufällig alle unsicher gewordenen Internetbesteller erst nach Ladenschluss dazu, die Medikamente zu bringen.

Szenario 5: Am Ende der Aktion sind die beteiligten Apotheker am Rande des Nervenzusammenbruchs, weil sie frustriert feststellen, dass sie zwar ein paar Männer davon überzeugt haben, Viagra in Zukunft nicht mehr übers Internet zu bestellen – worauf diese die Apotheke fröhlich verliessen mit den Worten: «Ich werde es über meinen Arzt beziehen und dann kriege ich es ja per Post von dieser, äh, wie heisst sie gleich, Rose oder so.»

Szenario 6 (das unwahrscheinlichste): Es wird alles eine ganz tolle Sache. Die Apotheker gehen gestärkt aus der Aktion hervor. Das Publikum applaudiert und stellt sich geschlossen vor das Bundeshaus zu Bern mit Transparenten, auf denen steht: «Stop Piracy an den Apothekern mit SD, Versandhandel, Preisdrückerei und Parallelimporten.»

16. Oktober 2008

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