Informiert im Gesundheitswesen

So geht es auch! – Montepulciano Teil IV

contucciIn Montepulciano Wein zu verkaufen, ist etwa so, wie wenn man am Zürcher Knabenschiessen einen Chilbistand betreibt, man ist nicht der einzige. Da muss man sich schon etwas einfallen lassen. Ein Schild mit «Enoteca» drauf reicht nicht. Einer in Montepulciano schafft es besonders gut, sich hervorzutun: Conte Dottore Alamanno Contucci. Er hatte zwar etwas bessere Startbedingungen als alle anderen, denn seine Familie wohnt seit 1000 Jahren in Montepulciano und produziert seit dem Jahr 1200 Wein. Ausserdem wurden die Contuccis irgendwann adelig, daher der Conte, und der Familie entstammen sogar Päpste. Nur, beim Weinkaufen interssiert das keinen. Die Familie Contucci liegt auch nur etwa an 20. Stelle, was den Umfang der Weinproduktion anbetrifft. Aber im Umgang mit ihren Kunden sind sie unschlagbar. Das ist die Geschichte:

Dottore Alamanno Contucci steht im Türrahmen. Der Türrahmen gehört ihm, ebenso der Raum davor und der Raum dahinter. Alles hier im Palazzo Contucci an der Piazza Grande in Montepulciano gehört ihm und seiner Familie. Ebenso die 21 Hektaren Rebland und die rund 150 Hektaren Olivenhaine, Wald und Ackerland der Azienda Agricola Contucci.

Täglich besuchen 250 Touristen den Palazzo Contucci, der zusammen mit der Cattedrale, dem Palazzo dei Nobili, dem Palazzo del Capitano del Popolo und dem Palazzo Comunale den grössten Platz der Stadt prägt.

Aber jetzt steht Alamanno Contucci ruhig im Türrahmen. «Vielleicht sollte ich ihn entlassen. Er stiehlt mir immer mehr die Schau», sagt er zu einem Gast, der neben ihm steht. Aber er meint es nicht ernst. Er lächelt und beobachtet den Mann, der ihm gerade «die Schau stiehlt». Der steht mitten in einem der Degustationsräume und heisst Adamo Pallecchi, Kellermeister, rechte Hand des Dottore Contucci und Gastgeber für die Touristen.

«Il Vino Nobile», schwärmt Adamo und schliesst die Augen, «aah, il Vino Nobile va direttamente nel cuore, nel sangue!» Adamo – niemand nennt ihn anders als Adamo – streckt seinen Oberkörper, neigt den Kopf leicht nach hinten und hält die Hände mit gespreizten Fingern vor seinen Brustkorb, als gäbe es dort zwei weibliche Brüste zu umfassen.

Dottore Contucci lächelt nachsichtig, hebt ein klein wenig die Schultern. Adamo übertreibt es wieder einmal ein bisschen. Aber keiner versteht es besser als er, die Herzen der Gäste zu öffnen. Ihm entgeht kein Besucher. Er lockt alle in den Verkaufsraum des Palazzo Contucci, unterhält sie mit blumigen Worten und ausladender Gestik mit seinen Geschichten über den Wein, bringt sie zum Lachen – und zum Kaufen.

Alamanno Contucci verlässt seinen Platz an der Tür. Er ist der Kopf der tausend Jahre alten Dynastie Contucci. Sein Arbeitstag ist lang. Dreissig Stunden, meint er lachend, samstags und sonntags länger. Er verteilt die Arbeiten, bespricht sich mit seinen Mitarbeitern, trifft Kunden, empfängt Gäste. Wenn er Besorgungen in der Stadt macht, braucht er viel Zeit. Jeder kennt ihn, immer wieder muss er einen kleinen Schwatz halten. Aber Alamanno Contucci liebt seine Stadt und er mag die Gesellschaft. Er engagiert sich in zahlreichen Vereinen und Organisationen. Montepulciano ist seine Heimat. «Man tut nie fehl daran, etwas zu tun, aber es ist ein Fehler, nichts zu tun», sagt er.

Einmal im Jahr, wenn die Weinlese abgeschlossen ist, setzt er sich über Mittag zu seinen Mitarbeitern in die Reben. Dann wird ein langer Tisch improvisiert. Es gibt Hühnchen, Pasta und Bratkartoffeln, dazu selbstverständlich Contucci-Wein, anschliessend Früchtekuchen mit Kaffee, Grappa und Vinsanto. Alle sitzen auf den kleinen Kisten für die Weinlese beisammen. Nur für den Dottore Contucci steht ein richtiger Stuhl bereit.

Dieses Jahr kann er sich Zeit nehmen beim Mahl in den Reben, denn seit einigen Jahren arbeiten auch seine Kinder im Betrieb. Tochter Ginevra teilt mit ihm das bescheiden eingerichtete Büro. Sie ist vor allem für Buchhaltung, Lohnabrechnungen und Administratives zuständig. Ihr Bruder Damiano packt am liebsten auf dem Feld mit an. Zusammen mit einem Cousin werden sie den Betrieb weiterführen, wenn sich der Vater in einigen Jahren aus dem aktiven Geschäftsleben zurückzieht.

Noch ist es nicht soweit. Es ist möglich, dass ihm trotz seiner 64 Jahre der Rückzug nicht so leicht fallen wird. So wie Adamo. Obwohl seit fünfzehn Jahren pensioniert, kommt Adamo immer noch Tag für Tag zur Arbeit. So wie seit vierzig Jahren schon. «Sono famoso, ich bin berühmt», erklärt er einer Besucherin, die im Eingang des Palazzo Contucci die vielen Zeitungsausschnitte und Fotos an den Wänden bewundert, die den Dottore Contucci zusammen mit dem Papst, der Gesundheitsministerin Italiens und vielen anderen Prominenten zeigen. «Viene, viene!» Adamo eilt in den Verkaufs- und Degustationsraum des Palazzo voraus. Mit flinken Händen greift er von einem Stapel Reiseführer, Zeitungsausschnitte und Illustrierte heraus und breitet sie auf einem kleinen Holztisch aus. Sein Zeigefinger huscht von Foto zu Foto. Alle zeigen ihn vor einem der riesigen Holzfässer mit einem Glas Wein in der Hand. «Adamo», sagt er jedes Mal.

Alamanno Contucci hat seine Fotogalerie draussen an der Wand. «E il padrone», erklärt Adamo. Und mit einer Geste fügt er hinzu: «Der spielt in einer anderen Liga.» Aber den Wein macht Adamo.

Ein paar Fakten:

Seit 1773 produziert die Familie Contucci den Vino Nobile di Montepulciano, der aus edelsten Trauben gegoren einst für die Tafeln der Adligen bestimmt war. Heute macht der aus vier verschiedenen Traubensorten hergestellte Vino Nobile 60 Prozent der Produktion aus und ist eng mit dem Erfolg des Hauses Contucci verknüpft.

Weitere Spezialitäten sind der Rosso di Montepulciano, Il Sansovino, der Vin Santo und der Biancho della Contessa.

Die Hälfte der rund 100'000 Flaschen Wein pro Jahr werden direkt an die Touristen verkauft, 25 bis 30 Prozent sind für den Export unter anderem nach Deutschland, Österreich, Japan, den USA und in die Schweiz bestimmt, der Rest geht an Vinotheken in ganz Italien.

Zum Bild: Alamanno Contucci (links) mit Adamo Pallecchi: Der Herr des Hauses mit seinem Meister des Verkaufs

16. Oktober 2007

Kommentar verfassen

Unsere Partner

Nach oben scrollen
%d Bloggern gefällt das: