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Auch Frauen sind Kunden – Montepulciano Teil III

Als Apotheker ist jedem klar, auch Frauen sind Kunden. Meist sogar die besseren als die Männer, weil sie für die ganze Familie einkaufen. Aber sehen Sie die folgende Szene mal etwas abstrakter. Ganz befreit von Vorurteilen sind wir alle nicht. In der Apotheke sind es vielleicht andere Leute, denen man mit skeptischem Blick begegnet. Also:

Ich bin, wie gesagt, 54. Ich lege wert auf mein Äusseres, auch wenn ich zum Wandern gehe. Auch dann will ich weder aussehen wie ein Papagei noch wie jemand, der sich aufmacht, einen Stall auszumisten. So auch hier in Montepulciano. Ich trage Freizeitbekleidung. Das heisst eine saubere Jeans, dazu ein schwarzes, auf den Körper geschnittenes Shirt, wie ich es sonst auch trage. Darüber einen schwarzen Pullover und eine rote, funktionelle Regenjacke. Mein Haarschntt ist weniger als drei Wochen alt, meine Haare sind frisch gewaschen und gekämmt. Kurz, ich sehe okay aus. Was mich in den Ferien etwas verunstaltet: Ich trage eine praktische Handttasche, die ich mit einem Querriemen umhängen kann, und auf der anderen Seite, ebenfalls quer umgehängt, meine Fototasche. Das macht einen etwas bepackten Eindruck. Aber es klar erkennbar, was ich umgehängt habe, und beide Taschen sind weder zerschlissen noch schmutzig.

So betrete ich eines Abends ein Restaurant. Eines, das in einem Kellergewölbe liegt. Man sieht von aussen nicht hinein. Egal, ich habe Hunger, und die Speisekarte, die draussen aufliegt, sieht vernünftig aus. Ein gutes Stück Fleisch, ein paar Kartoffeln und Gemüse dazu, ein Glas Montepulciano und zum Schluss einen Espresso. Das habe ich vor zu bestellen und freue mich drauf. Also Treppe hinunter.

Als erstes treffe ich auf eine junge Frau, offensichtlich Empfangsdame und Kellnerin. Ich nehme mein italienisch zusammen, sage guten Abend und «Ich möchte essen». Die Frau mustert mich von oben bis unten, die Arme auf dem Rücken. Sie erwidert zwar meinen Gruss, aber ihre ziemlich abweisende Haltung lässt mich zögern. Da ich immer noch keinen Einblick in die Gaststube habe und daher auch keine Gäste sehen kann, vermute ich, möglicherweise zu früh zu sein. Wir sind ja schliesslich in Italien. Da isst man spät. Also frage ich, ob das Restaurant geöffnet sei. Die Frau hält ihre Arme immer noch auf dem Rücken und gibt ein gedehntes Ja von sich, macht aber keinerlei Anstalten, mir den Weg zu weisen, geschweige denn zum Beispiel durch ein Lächeln und ein paar Worte erkennen zu geben, dass sie sich freut über den neuen Gast.

Ich lasse mich nicht beirren. Ich habe jetzt Hunger. Also gehe ich unbeirrt weiter, an der Frau vorbei, die es tatsächlich fertig bringt, sich nicht vom Fleck zu rühren und mich anzuschauen, als ob eine entfernte, gehasste Tante plötzlich vor ihrer Haustür steht und sich in die Wohnung drängt.

Drinnen nimmt mich ich ein freundlicher Kellner in Empfang und weist mir einen weiss gedeckten Tisch zu. Ich bin zufrieden und beginne, mich meiner Taschen und meiner Jacke zu entledigen. Nach einem kurzen Blick auf meine unmittelbare Umgebung beschliesse ich die Fototasche unter den Tisch zu schieben und meine Tasche ans Stuhlbein zu lehnen. Dazu kommt es nicht. Meine Tasche berührt noch nicht den Boden, da steht die junge Frau neben mir und weist mich an, die Taschen auf den Stuhl neben mir zu stellen. Sie tut es in einem Ton, wie man ein Kind zurechtweist, dem man jetzt schon zum x-ten Mal sagen muss, dass man nicht in der Nase bohrt.

Nun, mir ist's recht. So habe ich die Taschen im Blick. Und ab jetzt läuft auch alles rund. Die beiden Kellner kümmern sich freundlich und absolut korrekt um mich. Das Essen und der Wein sind gut, das Lokal schön.

Jetzt werden Sie vielleicht sagen, ach, das kann jedem Mann ebenso passieren. Wirklich? Mag in diesem Fall sein. Ich kann es nicht überprüfen. Nur: Mir ist Ähnliches auch in anderen Restaurants – auch in der Schweiz – schon passiert. Und da hatte ich dann die Gelegenheit, aus der Ecke, die man mir mit dem Hinweis, das sei noch der einzige freie Tisch, zugewiesen hatte, zu beobachten, wie die allein eintreffenden Herren bedient wurden. War interessant, glauben Sie mir.

Mir ergeht es meist auch bald besser in diesen Lokalen – sobald ich mehr als einen kleinen Salat und ein Glas Hahnenwasser bestelle, tauen die Kellnerinnen und Kellner in der Regel merklich auf. 

Ich kann damit leben und weiss mich auch zu behaupten. Aber ich nehme es jedes Mal als Lehre. In jeder Person kann ein guter Kunde stecken, egal wie jemand aussieht und ob die Person in das Bild passt, das man sich vom typischen Kunden seines eigenen Geschäfts macht.

11. Oktober 2007

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