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Kundenservice – aber nicht bei uns! Montepulciano, Teil I

Die Redaktorin von 3-min.info befindet sich gerade zur journalistischen Weiterbildung in Italien. Erlauben Sie ihr, sich in den nächsten Tagen mit ihren persönlichen Erlebnissen zu Wort zu melden. Die ersten Eindrücke der Reise sind vielversprechend. Arbeitstitel: «Wer holt sich den Preis als kundenfeindlichstes Unternehmen».

Für die, die mich nicht persönlich kennen: Ich bin 54, Apothekerin mit Offizinvergangenheit, seit elf Jahren freischaffende Texterin. Besondere Merkmale: kritische und anspruchsvolle Kundin, aber bei gutem Service grosszügig und loyal.

Erlebnis Nummer 1: Die Reise geht ab Zürich mit der Eisenbahn nach Montepulciano. Der Cisalpino ist praktisch bis auf den letzten Platz besetzt. Da man ohnehin eine Reservation braucht, ist das nicht so schlimm. Man fragt sich  nur, ob je einer der Konstrukteure dieses Zuges selbst darin gereist ist. Und zwar mit Gepäck, nicht mit dem Cüpliglas in der Hand! Es gleicht einem Wunder, dass nach einer halben Stunde Geschiebe, Gedränge und Geächze doch noch jedes Gepäckstück einen Platz gefunden hat. Zur Not halt im Mittelgang.

Fazit: Es gibt immer noch Branchen, die es nicht nötig haben, sich auf die Bedürfnisse ihrer Kunden auszurichten. Monopolbetriebe zum Beispiel (Einheitskasse und Staatsmedizin lassen grüssen).

Erlebnis Nummer 2: Der Zug bleibt irgendwo zwischen Milano und Bologna auf offener Strecke stehen. Zwar wird informiert. Nur nützt's nichts, weil die Lautsprecher so hundsmiserabel sind, dass man kein Wort versteht. Es müsste ja nicht Hifi sein, aber etwas mehr als blechernes Krächzen sollte doch möglich sein!

Fazit: Es gibt offensichtlich immer noch Betriebe, die keinerlei Funktionskontrollen durchführen. Das trifft leider nicht nur auf Monopolbetriebe zu.

Erlebnis Nummer 3: Als wir mit einer Stunde Verspätung in Florenz eintreffen, ist der Anschlusszug weg. Der Fahrplan ist für Ungeübte nicht eindeutig zu interpretieren. Also auf zum Informationsschalter. Leider sind alle anderen zu spät Angekommenen schneller gewesen. Hilft nichts. Ich stehe ebenfalls an und warte. Zwei Schalter sind offen. Dahinter sitzen zwei ausgesprochene Stoiker. Nur weil sich Dutzende Hilfesuchende stauen, lassen sie sich nicht hetzen. Man hat so seine Prinzipien. Und eines davon lautet: Die Leute (der Begriff Kunde ist noch nicht überall eingeführt) können warten. Wir kommen dann schon.

Endlich, ich bin die nächste. Gelangweilt schaut der Mann durch die Scheibe. Den Mund öffnet er offensichtlich nur in Notfällen. Ich frage nach dem nächsten Zug nach Chiusi. Nonchalant tippt der Mann etwas in den Computer, dreht den Bildschirm leicht Richtung Fensterscheibe und deutet wortlos auf die dort aufleuchtenden Zeilen. Es ist der Fahrplan für den nächsten Zug. Zwei der Zeilen sind rot: Umsteigen in Siena mit fünf Minuten Umsteigezeit! Sind Sie sicher, dass das reicht? Der Mann nickt. Den Mund öffnet er immer noch nicht. Auf seiner Stirn steht geschrieben, dass es ihn nicht kümmert, ob ich den Anschlusszug in Siena erreiche. Okay, können Sie mir den Fahrplan bitte ausdrucken. Das kann nur eine Schweizerin fragen. Ausdrucken geht nicht. Stattdessen greift der Beamte zu einem Fresszettel – ja, wirklich, er greift sich den obersten Fötzel von einem kleinen Stapel Papierchen, die von Hand auf WC-Papiergrösse zerrissen worden sind – und schreibt sichtlich genervt den Fahrplan in Kurzversion auf den Zettel.

Fazit: Man schimpfe nicht leichtfertig über die SBB. Bereits in Italien befindet man sich in der öV-technischen Wildnis!

Erlebnis Nummer 4: Ich steige in den angegebenen Zug. Erstklasswagen sucht man vergebens. Ich habe zwar ein Erstklassbillett bezahlt, aber was soll's. Nach so vielen Stunden Reise bin ich froh, wenn es weitergeht. Kurz darauf kommt der Kondukteur. Und mit ihm weiteres Ungemach. Ich hätte, so belehrt er mich, das Billett am Bahnhof entwerten müssen. Wer das nicht tut, wird bestraft – mit 40 Euro! Ich frage den Mann, woher ich das hätte wissen sollen. Und überhaupt sässe ich nicht freiwillig in diesem Zug, sondern nur, weil der andere Verspätung hatte etc. Der Kondukteur lässt sich nicht beirren. Wir sind hier in Italien, sagt er, und hier steht das so im Gesetz. Und überhaupt sässe ich im falschen Zug. Wie bitte? Ich habe mich am Informationsschalter erkundigt. Tja, es ist trotzdem der falsche Zug. Es hätte einen direkten gegeben. Und warum sagt mir das am Informationsschalter keiner? Der Kondukteur hebt die Achsel. Darauf weiss er auch keine Antwort. Dafür lässt er ein wenig Gnade walten und knöpft mir nur fünf Euro ab. Auf meine Frage nach der kurzen Anschlusszeit, meint er, ich solle zu ihm nach vorne kommen, wenn ich merke, dass der Zug Verspätung habe, dann werde er in Siena anrufen, dass der andere Zug warte. Nun ja, ist immerhin ein Angebot.

Und der Zug hat Verspätung! Nur ein paar Minuten zwar, aber es sind die entscheidenden paar Minuten. Soll ich mich nun mit meinem Gepäck durch den ganzen Zug zwängen? Nein, es geschieht ein Wunder. Der Kondukteur kommt. Er habe in Siena Bescheid gegeben. Man werde warten. Ich solle einfach so freundlich sein und mich beeilen. Klar, mache ich, danke!

Wir kamen dann doch noch knapp rechtzeitig an. Uff, wenigstens komme ich mit diesem Zug in so nahe an Montepulciano, dass ich von dort ein Taxi nehmen kann. Und es geschieht noch ein Wunder: Der Taxichauffeur erweist sich als absolut seriös und freundlich. Mit nur zwei Stunden Verspätung bin ich endlich am Ziel.

Fazit: Es gibt immer wieder Lichtblicke.
6. Oktober 2007

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