Liest man die neueste Ausgabe von infosantésuisse, dem Magazin der Schweizer Krankenversicherer, findet man praktisch nur ein Thema: Die Medikamente sind zu teuer. Originale sowieso, und selbst die Generika kriegen jetzt ihr Fett ab. Auch sie sind in den Augen von santésuisse viel zu teuer. In der Folge wird hin und hergerechnet, ob man jetzt 50 oder gar 120 Millionen Franken sparen könnte, wenn zum Beispiel konsequent nur das billigste Generikum abgegeben würde. Meine Herren, über die obligatorische Grundversicherung werden gemäss Ihren eigenen Angaben 4.3 Milliarden Franken aufgewendet. Selbst wenn 120 Millionen Franken eingespart würden, sprechen wir von Ersparnissen von nicht einmal drei Prozent! Was wollen Sie damit eigentlich retten? Oder geht es viel mehr um wirksame PR, weil sie bei den echten Brocken nicht weiterkommen?
Klar, dass der Normalbürger bei Beträgen im zwei- und dreistelligen Millionenbereich bereits Wucher ortet und ohne weitere Erklärungen dafür zu haben ist, dass da der Hebel angesetzt werden muss. Er kennt ja alle anderen Zahlen nicht. Die muss sich auch manch einer aus der Branche zusammenklauben. Wir versuchen es jetzt trotzdem mit einer Rechenübung.
Gemäss dem Büchlein Pharmamarkt Schweiz 2007 von Interpharma belaufen sich die Gesamtgesundheitskosten derzeit inklusive Prävention und Verwaltung auf knapp 53 Milliarden Franken. Der Anteil der Medikamente betrug 2005 12.6 Prozent davon. Das sind knapp 6.7 Milliarden Franken. Viel Geld. Aber zu teuer? Welche Behandlungen und Operationen könnten denn die Spitäler und die Ärzte in freier Praxis tatsächlich anbieten, wenn sie keine Medikamente hätten? Narkosen mit dem Hammer? Schmerzlinderung mit der Whiskeyflasche? Infektionsbehandlung mit Aderlass? Rheumatherapie mit Handauflegen? Diabetesbehandlung mit striktem Zmorgebrötliverbot?
Bleiben wir trotzdem bei der Annahme, dass Medikamente generell und immer zu teuer sind. Was wäre denn, wenn die Medikamente gratis wären? 2004 stiegen die Gesundheitskosten vergleichsweise wenig um 3.5 Prozent. Aber gehen wir für ein Rechenbeispiel davon aus, dass die Entwicklung auf diesem tiefen Niveau bleibt. Also: 53 Milliarden minus 6.7 Milliarden gibt 46.3 Milliarden. Es ginge gerade vier Jahre, bis die 53 Milliarden wieder erreicht wären!
Deshalb nochmals zum Mitschreiben für die, die immer noch den Röhrenblick auf die Medikamentenpreise haben: Wenn es gratis wird, ist zwar ein ganzer Industriezweig in die Knie gezwungen, aber kein einziges grundlegendes Problem gelöst.
10. September 2007