Die deutsche Gesundheitsreform treibt manch eigentümliche Blüte. Nicht nur soll eine zusätzliche Inkassostelle für die Krankenkassenprämien eingeführt werden, die sich rasch zu einem bürokratischen Koloss auswachsen dürfte. Auch bei den Apotheken werden Entscheide gefällt, die schwer nachzuvollziehen sind. So soll die holländische Medikamenten-Versandhandelsfirma Europa-Apotheek ihren Vertrieb in Deutschland über die dm-Drogeriemarktkette abwickeln dürfen. Dagegen wehren sich die deutschen Apotheker vehement.
«Apothekenvernichtungsgesetz» nennen die deutschen Apotheker die Gesundheitsreform. Tatsächlich müssen sie sich in letzter Zeit permanent gegen Angriffe auf ihren Berufsstand wehren. Noch steht das Fremd- und Mehrbesitzverbot. Aber ob es so bleiben wird, ist mehr als ungewiss. Und jetzt sollen auch noch Drogerien als Bestell- und Abholstellen für den Medikamenteversandhandel zur Verfügung stehen dürfen. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht Münster. «Holt sich der Krebspatient seine Zytostatika dann beim Drogeriemarkt oder bei der Lottoannahmestelle ab?», fragt Peter Ditzel von der Deutschen Apothekerzeitung in seinem Kommentar vom 13. November. Besonders stossend an dieser Entscheidung ist, dass die Apotheker keine Medikamente versenden dürfen. Viele beantragen deshalb jetzt eine Versandhandelserlaubnis.Bei solchen Szenarien, die in der Schweiz ja auch nicht unbekannt sind, fragt man sich schon, ob beim Gesetzgeber die linke Hand weiss, was die rechte tut. Da werden etwa bei der Herstellung von Arzneimitteln immer höhere Anforderungen gestellt, die Packungsbeilagen werden immer ausführlicher und bei der Arzneimittelwerbung wird millimetergenau vorgeschrieben, was erlaubt ist und was nicht. Geht es dann um den Vertrieb, kommt’s plötzlich nicht mehr darauf an, ob der Tankwart auch noch ein paar Medikamente über den Tresen schiebt. Die Apotheker wehren sich zurecht. Ob sie gehört werden, steht allerdings auf einem anderen Blatt.
22. November 2006
22. November 2006