Informiert im Gesundheitswesen

Heftiger Streit um das deutsche Fremdbesitzverbot

In Deutschland wehren sich die Apotheker mit Vehemenz gegen die Bewilligung für die Apotheke des Holländers Ralf Däinghaus, Gründer und Besitzer der holländischen Versandapotheke DocMorris. Dabei steht nicht der Versandhandel im Vordergrund, sondern das Fremdbesitzverbot. Ist nämlich die Bewilligung für Däinghaus’ Apotheke im Saarland rechtens, wird man andere «Fremdbesitzer» nicht verhindern können.


Däinghaus, selbst IT-Spezialist, erregt die Gemüter bereits seit der Gründung von DocMorris mit Sitz im niederländischen Heerlen im Jahr 2000. Trotz Warnungen von Seiten der Apothekerschaft, Medikamente nicht per Internet zu bestellen, sondern auf den persönlichen Service in der örtlichen Apotheke zu vertrauen, wächst sein Unternehmen mit rasender Geschwindigkeit. Ein Jahr nach der Gründung sollen nach eigenen Angaben bereits 30’000 Kunden ihre Medikamente über DocMorris bezogen haben. Heute sind es, wiederum laut Däinghaus selbst, 700’000. Sein Unternehmen ist sowohl ISO-zertifiziert als auch TÜV-Rheinland-zertifiziert (www.tuv.com, Zertifikatsnummer 7731), ein Qualitätslabel, das sich vor allem auf die Durchlaufzeiten der Bestellungen konzentriert.
2003 erstreitet sich Däinghaus beim Europäischen Gerichtshof das Recht, seinen Medikamentenversandhandel grenzüberschreitend betreiben zu dürfen, also auch in Deutschland. Und jetzt, nur drei Jahre später, entbrennt ein neuer Streit. Grund dafür ist die am 3. Juli dieses Jahres in Saarbrücken eröffnete DocMorris-Apotheke. Die Bewilligung dazu verstosse gegen das deutsche Fremdbesitzverbot, nach dem eine Aktiengesellschaft keine Apotheke betreiben darf, monieren die deutschen Apotheker. Däinghaus dagegen beruft sich auf die Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU, und europäisches Recht breche deutsches Recht.
Der Eilantrag einer Saarbrücker Apothekerin an das Saarländische Verwaltungsgericht zum sofortigen Entzug der Betriebsbewilligung für DocMorris, wurde vom Gericht inzwischen zurückgewiesen. Inhaltlich ist jedoch noch nichts entschieden.
Die Diskussionen werden in ziemlich gehässigem Ton geführt. Etliche Politiker und Medien stehen auf Seiten von DocMorris, mit Argumenten wie «mehr Freiheit beim Medikamentenkauf». Sie sprechen von alten Zöpfen, die endlich abgeschnitten werden müssten, und glauben bereits zu wissen, dass mit der Aufhebung des Fremdbesitzverbots zwei bis drei Milliarden Euro eingespart werden könnten.
Die Apotheker betiteln Medienleute, die sich für eine Öffnung des Marktes aussprechen, als «einschlägige Journaille» und beschwören Gefahren für die Konsumenten herauf, sollte das Fremdbesitzverbot fallen und dereinst Kettenapotheken entstehen.
Noch ist alles offen. Selbst wenn die Angelegenheit vor den Europäischen Gerichtshof kommt, was wohl der Fall sein wird, weil keine der beiden Seiten klein beigeben wird, ist der Ausgang offen. Zwar gilt grundsätzlich europäisches Recht. Aber EU-Mitgliedstaaten haben das Recht, europäisches Recht einzuschränken, wenn sie dafür gute Gründe haben.
Interessantes Detail: www.docmorris.ch führt direkt zur deutschen Website.

24. August 2006

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