
Die Migros versucht es, und jetzt also auch die Drogisten, einzusteigen in den lukrativen Markt der rezeptpflichtigen Medikamente. Beide lassen sich von Medikamentenversandhändlern einspannen als Poststelle. Sie nehmen die Rezepte entgegen und geben einen oder zwei Tage später das Postpäckchen wieder an die Kunden weiter.
Die Drogisten bezeichnen ihre Zusammenarbeit mit Mediservice medienwirksam gleich als Pilotversuch. Sechs Drogerien in den Kantonen Solothurn, Bern, den beiden Basel und Appenzell Innerrhoden seien speziell geschult worden. Weitere sollen folgen, denn die Drogerie biete für diese Dienstleistung das «richtige Umfeld», wie der Geschäftsführer des Schweizerischen Drogistenverbands Martin Bangerter meint. Bis zu 300 der insgesamt 600 Drogerien könnten es nach der Pilotphase sein.
Was die Apotheker ärgern muss
Es ist nichts neues, dass sich andere Branchen ein Stück vom Kuchen der rezeptpflichtigen Medikamente abschneiden möchten. Nicht tolerierbar ist die Tatsache, dass den Apotheken meterlange Listen mit Anforderungen an Infrastruktur, Ausbildung und Sicherheit unterbreitet werden, die sie peinlichst genau einzuhalten haben, während an anderen Orten unqualifiziertes Personal ungehindert und mit dem Applaus der Öffentlichkeit Medikamentenpäckchen verteilt.
Sorgen bereiten muss ihnen auch, dass der Medikamentenmarkt zunehmen an ihnen vorbei läuft. Auch wenn zahlreiche Versuche scheitern, sie beeinflussen die Wahrnehmung über die Ware Medikament.
Was die Apotheker gelassen nehmen sollten
Aber, und das ist die realistische Seite der Medaille, sowohl die Migros wie die Drogisten dürften bald feststellen: Das grosse Geschäft wird’s nicht. Bei Migros kommen laut Tages-Anzeiger vom 29. Mai 2006 ganze 5 bis 10 Rezepte pro Tag zusammen. Und auch wenn es in den Drogerien ein paar mehr sein sollten, gibt das keinem Umsatz neuen Aufschwung. Damit steigt der Drogistenstern nicht höher. Im Gegenteil. Je mehr sich die Drogisten den Anschein des Miniapothekers geben, desto deutlicher demonstrieren sie, dass es sie nicht mehr braucht. Welche Drogerie mit guter Lage wäre denn in den letzten Jahren nicht zur Apotheke umfunktioniert worden oder steht kurz vor diesem Schritt? Ausserdem, was soll interessant sein an einer Zwischenstelle für den Medikamentenhandel, die keine fachlichen Kompetenzen hat? Worin unterscheidet sich der Drogist damit noch vom Pöstler?
30. Mai 2006