Informiert im Gesundheitswesen

Wo bleibt die publizistische Verantwortung bei den Medikamenten?

Fotolia_38862913_XSDie SonntagsZeitung lieferte am 31. Juli ein beredtes Zeugnis davon, wie sehr sich die hehren Grundsätze des Journalismus vom gelebten Alltag unterscheiden. Während Chefredaktor Arthur Rutishauser in seinem Editorial beteuerte, man wolle im Zusammenhang mit den terroristischen Anschlägen auf jegliche Effekthascherei verzichten und «die Wahrheit verbreiten», trat im Zusammenhang mit den Medikamentenpreisen zwei Seiten weiter einer seiner Redaktoren diesen Grundsatz mit Füssen. Es ist zu begrüssen, dass sich die SonntagsZeitung bei der Berichterstattung über Terroristen Zurückhaltung auferlegt und diesen Leuten nicht noch eine Plattform für ihre mörderischen Ideen gibt. Man fragt sich jedoch, warum der Verzicht auf Effekthascherei und der Grundsatz, sich an die Fakten zu halten, beim Thema Medikamentenpreise offensichtlich nicht gilt. Claus M. Hysek, Präsident IFAK Verein, Biel, liess als Reaktion auf diese Diskrepanz der SonntagsZeitung folgenden Leserbrief zukommen, der – stark gekürzt – am 7. August auch erschien. Nachstehend die ungekürzte Fassung:

«Arthur Rutishauser schreibt in seinem Editorial in der Sonntagszeitung vom 31.7.2016 im Zusammenhang mit den terroristischen Anschlägen: «…denn erstens ist es die Pflicht des Journalisten zu informieren und die Wahrheit zu verbreiten.» Und weiter «…wollen wir unsere publizistische Verantwortung wahrnehmen und auf Effekthascherei verzichten». Ich begrüsse diese Haltung der Sonntagszeitung ausdrücklich. Das Bekenntnis zur Wahrheit gilt allerdings offenbar nur bei Themen, bei denen es sich gerade gut macht. Geht es um die Berichterstattung im Bereich Medikamente sieht es in der Regel anders aus. Wie sonst könnte nur zwei Seiten weiter in derselben Zeitung unter dem Titel, «Medikamente: 311 Millionen teurer» mit Zahlen jongliert werden, die nicht plausibilisiert wurden.

Es wird geschrieben, dass der Auslandpreisvergleich in mehreren Jahren eine Senkung der Medikamentenkosten um 100 Millionen gebracht habe. In wie vielen Jahren? Weiter wird santésuisse mit der Aussage zitiert, der Bund verzichte bis 2019 auf 1.2 Milliarden, weil er pro Jahr nur ein Drittel der Medikamente überprüfe. Man kann es drehen wie man will, diese Zahlen passen nicht zusammen.

Einmal mehr hat sich ein Journalist nicht die Mühe gemacht, diese Zahlen von santésuisse zu hinterfragen, zu recherchieren oder zu verifizieren. Mit einer einfachen Dreisatzrechnung hätte man schnell gemerkt, dass diese Zahlen so nicht stimmen können. Aber wenn es um Medikamentenpreise geht, steht die Effekthascherei trotz angekündigter Berufsethik immer noch vor der publizistischen Verantwortung und den von santésuisse publizierten, tendenziellen Zahlen, wird immer wieder blind vertraut. Dass damit jedoch das Cliché der erhöhten Medikamentenpreise in der Schweiz einmal mehr – in unseren Augen unnötig – untermauert wird, schadet mehr, als es schlussendlich die Schlagzeile wert ist. Vielleicht sollte sich der eine oder andere Journalist, wenn er das nächste Mal eine Schlagzeile zum Thema Medikamente veröffentlichen möchte, fragen, ob es wirklich noch im Sinne einer sicheren Medikamentenversorgung ist, wenn Schmerzmittel weniger als eine Packung Ricola und Antibiotika weniger als 10 Franken kosten dürfen. Oder passen solche Fakten nicht in die vorgefasste Meinung der Redaktion über Medikamentenpreise?

Sicher, das Thema Medikamentenpreise ist in der Schweiz äusserst komplex und regt auch unter Fachpersonen immer wieder zu Diskussionen an. Aber gerade dann sollte eine Berichterstattung fairerweise mindestens zwei Seiten dieser Diskussion aufgreifen.»

8. August 2016

Foto © lassedesignen Fotolia.com

 

 

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